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Schnee in Venedig

Schnee in Venedig

Titel: Schnee in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Bewusstlosigkeit zurückzusinken. Die Schmerzen waren überall. Sie begannen an seinen Füßen, krochen in langen, stechenden Wellen in seinem Körper empor und endeten in seinem Kopf. Sie pulsierten mit dem Schlag seines Herzens, und manchmal waren sie unerträglich. Dann wünschte er sich, er wäre tot.
    Einige Zeit später (Tage? Monate?) stellte er fest, dass die Schmerzen weniger stark waren, wenn er aus der Dunkelheit kam. Dann konnte er auf die Geräusche in dem Zimmer achten, in dem er lag: Schritte, die sich näherten und entfernten, Wasser, das aus einem Krug in ein Glas gegossen wurde (ein schönes Geräusch), Stimmen, die in endlose Unterhaltungen verstrickt zu sein schienen.
    Er hatte keine Vorstellung davon, wie er dorthin, wo er lag, gelangt war und was sich an den Rändern der Dunkelheit, durch die er trieb, zutrug. Es interessierte ihn auch nicht. Nur einmal, als er wie aus weiter Ferne ein Glockenläutenhörte, erinnerte er sich an etwas: an grünes Wasser vor dem Fenster (eines Hauses, das er bewohnt hatte?) und schwarze, schlanke Boote, die über das Wasser fuhren. Aber er wusste nicht, wo sich dieses Wasser befand, und auch nicht, in welcher Beziehung es zu ihm stand.
    Auch an seinen Namen konnte er sich nicht erinnern, nur daran, dass ein (strenger?) Mann (der mit einem Stückchen Kreide vor einer schwarzen Tafel stand) einmal gesagt hatte, sein Name klinge so, als würde ein dicker Mann die Treppe herunterfallen. Darüber wollte er lachen, auch darüber, dass ihm dieser Name (Plonk? Dong? Momp?) nicht einfiel. Aber lachen konnte er nicht, weil jede Bewegung seines Gesichts sofort Schmerzen verursachte.
     
    Am Sonntag, dem 5.   März 1862, weckte Tron das Geräusch, mit dem ein Glas auf seinem Nachttisch abgestellt wurde, aber er schlug die Augen nicht auf. Jemand saß auf dem Stuhl neben seinem Bett – eine Frau, denn Tron hörte das Knistern eines Kleides.
    Dann sagte die Stimme der Contessa: «Hier, trink etwas. Dr.   Wagner sagt, du musst viel trinken.»
    Tron schlug die Augen auf. «Dr.   Wagner?» Er hatte das Gefühl, als würde jedes Wort, das er sprach, aus gefrorenem Eis bestehen, das er erst in seinem Mund auftauen musste.
    «Der Arzt, der dich behandelt. Er hat den Verband für deine gebrochenen Rippen angelegt. Er kümmert sich auch um dein Schlüsselbein und deinen Arm.»
    Tron tastete nach seinem linken Arm, und seine Hand traf auf einen dicken Verband. «Ist der Knochen verletzt?»
    «Nein. Da hattest du Glück. Aber du hast trotzdem viel Blut verloren. Dr.   Wagner hat heute Morgen den Verband gewechselt. Er sieht am Abend wieder nach dir.»
    «Ich kenne keinen Dr.   Wagner. Wieso behandelt mich nicht Dr.   Manin?»
    «Er hätte dich normalerweise behandelt, Alvise, aber uns ist Dr.   Wagner vorbeigeschickt worden, und ich konnte unmöglich ablehnen, dass er dich behandelt.»
    «Vorbeigeschickt? Ich verstehe kein Wort.»
    «Dr.   Wagner kam mit einem Brief.» Die Contessa lächelte verklärt. «Einem persönlichen Brief. An mich persönlich.»
    «Ein persönlicher Brief an dich persönlich?»
    Wieder das verklärte Lächeln. «Ganz persönlich. Mit dem Wunsch, die persönliche Bekanntschaft zu vertiefen.»
    «Würdest du mir bitte verraten, wovon die Rede ist? Wer schreibt dir persönlich persönliche Briefe und schickt uns seinen Arzt vorbei?»
    «Deine charmante Tanzpartnerin. Erinnerst du dich nicht?»
    Tron richtete sich ruckartig auf. Seine bandagierten Rippen schickten eine Schmerzwelle durch seinen Körper und sandten ihn zurück auf sein Kissen. «Redest du von der Kaiserin?»
    Die Contessa nickte. «Ich rede von Elisabeth von Österreich. Sie nimmt großen Anteil an deinem Schicksal. Sie hat darauf bestanden, uns ihren Arzt vorbeizuschicken.»
    Tron schüttelte ungläubig den Kopf. «Hättest du dir so etwas je träumen lassen?»
    Die Contessa zuckte mit den Schultern. «Wir haben schon immer mit den Habsburgs verkehrt. In diesem Sinne habe ich mich auch Bea Mocenigo gegenüber geäußert. Sie musste mir Recht geben, auch wenn sie einen gewissen Neid auf die alte Bekanntschaft zwischen den Habsburgs und den Trons nicht verhehlen konnte.»
    Tron gähnte. «Wie lange habe ich geschlafen?»
    «Eine gute Woche lang. Du hattest hohes Fieber. Wenn du aufgewacht bist, hast du phantasiert. Du hast niemanden erkannt, und du schienst auch nicht zu wissen, wer du bist. Wir alle haben uns große Sorgen gemacht.»
    «Wer ist wir?»
    «Alessandro, Spaur, die Kaiserin und

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