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Schnee in Venedig

Schnee in Venedig

Titel: Schnee in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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geben, teilt mir Toggenburg mit. In allen Sestieres. Heute Abend geht es los. Nur damit Sie Bescheid wissen.»
    «Sind wir daran beteiligt?», erkundigte sich Tron.
    Spaur schüttelte den Kopf. «Nein. Das ist Sache des Militärs. Die kroatischen Jäger machen das.»
    «Und wo geht es los?»
    «Nicht bei Ihnen in San Marco. Drüben in Dorsoduro. Sie fangen mit Gaststätten und Wohnungen rund um den Campo Santa Margherita an.»

31
    Ein wenig außer Atem, weil sie nicht gewöhnt ist, durch knöcheltiefen Schnee zu stapfen, ist Elisabeth stehen geblieben. Sie trägt derbe Schuhe mit dicker Sohle, einen braunen Wollmantel aus dem Besitz der Königsegg und ein Kleid, das unter ihren Knöcheln endet, sodass der Saum im Schnee schleift und sich allmählich mit Feuchtigkeit voll saugt.
    «Wie weit ist es noch?», fragt Elisabeth.
    Am Nachmittag hat es angefangen zu schneien, in dichten, von Windböen durcheinander gewirbelten Flocken, aber vor einer guten halben Stunde, kurz bevor Elisabeth mit der Wastl und den Königseggs den Palazzo Reale verlassen hat, hörte es plötzlich auf. Der Wind hat sich gelegt, und bisweilen reißt die Wolkendecke auf, sodass ein bleicher Mond über den Dächern schwebt.
    Auf der anderen Seite des Canal Grande hat Elisabeth die Orientierung verloren: zu viele Calles und Salizzadas, die sich kreuzen und verzweigen, zu viele Campiellos, die sich alle ähneln unter der weißen, meist unberührten Schneedecke. Sie hat dieses leicht schwindelerregende Gefühl (das Kinder und auch Erwachsene empfinden, wenn sie durch ein Labyrinth laufen) anfangs genossen – jedenfalls so lange, bis ihr die Füße wehtaten und bevor sich diese unpassende Lust auf eine Tasse heißer Schokolade in ihrem Kopf auszubreiten begann.
    «Die Nächste links, und dann sind wir da», sagt die Wastl.
    Weisungsgemäß hat sie die Anrede «Kaiserliche Hoheit» weggelassen. Überhaupt hat sich die Wastl als überaus kooperativ erwiesen. Ihre Befangenheit ist verschwunden, was Elisabeth darauf zurückführt, dass sie, Elisabeth, nicht mehr so aussieht wie Elisabeth.
    Im Palazzo Reale hat sie lange vor dem Spiegel gestanden, und wäre der Anlass ihrer Kostümierung nicht so ernst, dann wäre sie in Gelächter ausgebrochen. Die klobigen Schuhe und der ländliche Mantel haben die Wirkung ihrer Hamsterbacken noch verstärkt. Die Gräfin Hohenembs sieht jetzt aus wie eine Köchin, aber umso unwahrscheinlicher ist es, dass Ennemoser entdeckt, wen er in Wirklichkeit vor sich hat.
    Um sich wieder daran zu gewöhnen, mit der Watte im Mund zu sprechen, hat Elisabeth eine kleine Plauderei mitder Wastl angefangen. Ennemoser ist Drucker, hat sie bei dieser Gelegenheit erfahren. Wie die Wastl stammt er aus dem ersten Wiener Bezirk, wurde vor einem Jahr eingezogen und kam wegen gewisser Grundkenntnisse im Italienischen als Bursche zu Pergen.
    Die Königseggs von dem Vorhaben zu überzeugen ist nicht leicht gewesen. Am Ende hat ein diskreter Hinweis auf die Befehlshierarchie den Ausschlag gegeben. Der Generalmajor ist der Typ, der jede Anordnung ausführt, auch wenn er sie für noch so unsinnig hält.
    Jetzt stapfen die Königseggs drei Meter hinter Elisabeth und der Wastl durch den Schnee, und vermutlich, denkt Elisabeth, bereut die Gräfin inzwischen, dass sie sich darauf eingelassen hat, ihre Oberhofmeisterin zu werden. Der Graf und die Gräfin werden am Nebentisch sitzen, so ist es verabredet. Unter Königseggs Mantel steckt ein Revolver. Er hat darauf bestanden, eine Waffe mitzunehmen und sich möglichst nachlässig zu kleiden – um nicht aufzufallen.
    «Wir sind da», sagt die Wastl und bleibt stehen.
    Der Campo Santa Margherita, an dessen Rand sie angelangt sind, ist eine weite Schneefläche, umgeben von eher flachen Gebäuden, die sich als schwarze Silhouetten vom Nachthimmel abheben. Ein halbes Dutzend Fenster sind erleuchtet, nicht viele für einen Platz von der Größe eines Exerzierfelds, und ihr Licht reicht nicht aus, um den Campo zu beleuchten, der ohne das bleiche Mondlicht in vollständiger Dunkelheit vor ihnen liegen würde.
    Dann entdeckt Elisabeth das Licht im Erdgeschoss eines Hauses auf der gegenüberliegenden Seite. Davor steht eine Gestalt, die jetzt anfängt zu winken: zweifellos der Verlobte der Wastl, Alfred Ennemoser, ein breitschultriger Riese, wie sich herausstellt, als Elisabeth und die Wastl die Schneewüste des Campo Santa Margherita überquert haben.
    Die Wastl stellt sie einander vor: Gräfin Hohenembs, Alfred

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