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Schnee in Venedig

Schnee in Venedig

Titel: Schnee in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Blick darauf und wendet sich wieder dem Roman zu, in den er vertieft ist.

34
    Über der nördlichen Adria befand sich ein barometrisches Maximum; es wanderte südwärts, einem auf der Höhe von Livorno liegenden Minimum zu. Dabei schob es die ohnehin spärliche Bewölkung im Golf von Triest weiter nach Süden, sodass am 18.   Februar 1862 der Himmel über der
Erzherzog Sigmund
weitgehend sternenklar war.
    Kurz nach Mitternacht stand Putz gut gelaunt hinter dem Tresen und schnitt luftgetrockneten Schinken in hauchdünne Scheiben. Tron sah die Klinge im Schein der Petroleumlampe blitzen, die von der Decke hing. Anschließend hätte man durch die Schinkenscheiben hindurch einBuch lesen können – ein Indiz dafür, dass Putz über ein äußerst scharfes Messer verfügte. Wie das Messer, mit dem Moosbrugger ermordet worden ist, dachte Tron.
    Der Salon der
Erzherzog Sigmund
war voll besetzt mit Passagieren, die vor dem Schlafengehen noch ein Getränk oder einen leichten Imbiss zu sich nehmen wollten. Tron saß mit Haslinger an einem der runden Zweiertische und fragte sich, ob seine Umgebung deshalb so schwankte, weil der Dampfer die Lagune verlassen hatte oder weil sie inzwischen bei der dritten Flasche Champagner angelangt waren.
    Als Tron die
Erzherzog Sigmund
das letzte Mal betreten hatte, war der Salon ein Trümmerfeld aus zerbrochenem Glas und ruiniertem Mobiliar gewesen. Jetzt staunte Tron über die Schnelligkeit, mit der die
Erzherzog Sigmund
im Arsenal wieder instand gesetzt worden war, und über die Eleganz, mit der sich der renovierte Salon präsentierte. Das Mobiliar war komplett erneuert worden, das rötliche Holz der Mahagonitäfelung glänzte frisch lackiert. Man hatte den braunen Bezug des runden Sofas in der Mitte des Salons durch fliederfarbenen Samt ersetzt und anstelle des farblosen Oberlichtes gefärbtes Glas genommen. In ihm brach sich das Licht der Deckslampen und warf bunte Lichter auf die weißen Uniformen der Offiziere.
    Tron füllte mechanisch sein Glas und fragte sich, ob er Haslinger das Du anbieten sollte. Wie hieß er noch mit Vornamen? Ignaz? Watzlaff? Triglav? Und mussten sie sich dann mit ineinander gehakten Armen zuprosten und auf ex trinken? Aus Gläsern, in denen sich Blut vom anderen befand? Am Nebentisch ließ sich eine Gruppe von Kaiserjägern voll laufen. In einer Stunde würde hier gar nichts mehr auffallen.
    Haslinger (Triglav?) riss Tron aus diesen fruchtlosen Betrachtungen,indem er fragte: «Glauben Sie wirklich, dass sich Moosbrugger Aufzeichnungen über seine Kunden gemacht hat?»
    «Ich würde es nicht ausschließen. Moosbrugger war ein Pedant», sagte Tron.
    «Wissen Sie inzwischen mehr über diese Adresse in Triest?»
    «Nein. Nur den Namen der Frau, mit der Moosbrugger zusammengelebt hat.»
    «Schmitz. Via Bramante 4.» Haslinger lächelte. Er war stolz auf sein ausgezeichnetes Gedächtnis. «Und ich könnte wetten, dass Grillparzer auf Moosbruggers Liste steht.»
    «Hat Spaur sich noch zu Leutnant Grillparzer geäußert, nachdem ich gegangen war?», erkundigte sich Tron.
    Haslinger schüttelte den Kopf. «Nein. Ich glaube, die ganze Sache ist ihm zu heiß.»
    «Also glaubt er, dass Grillparzer das Mädchen getötet hat, will aber nichts unternehmen.»
    Haslinger nickte. «Das ist mein Eindruck.»
    «Aber die Liste will er haben.»
    «Ohne sich für sie aus dem Fenster zu hängen. Für das, was Sie als Privatmann in Triest anstellen, ist er nicht verantwortlich.»
    «Warum will Spaur die Liste?»
    Haslinger zog die Champagnerflasche aus dem Kübel und schenkte sich nach. «Spaur würde gerne wissen, ob auch Toggenburg zu den Kunden Moosbruggers gehört hat. Er will die Gewissheit, dass die ganzen Moralapostel, die ihn schief angucken, keinen Deut besser sind als er.»
    Tron wusste, worauf Haslinger anspielte. Es war ein offenes Geheimnis, dass der Polizeipräsident mit der Tochter eines Gastwirts aus Castello eine Beziehung unterhielt. «Und mehr steckt nicht dahinter?»
    «Ich glaube nicht, dass Spaur die Liste haben will, um den Lloydfall wieder aufzurollen», sagte Haslinger.
    «Was wird er tun, wenn sich Grillparzers Name auf der Liste findet?», fragte Tron.
    Haslinger warf Tron einen amüsierten Blick zu. «Ich dachte, Sie hielten Grillparzer für unschuldig, Commissario.»
    Tron sagte: «Es wäre nicht das erste Mal, dass ich mich getäuscht habe.» Er nippte an seinem Champagnerglas. «Fest steht nur eins. Wenn es diese Aufzeichnungen gibt, dann steht der Mörder

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