Schneeballflirt und Weihnachtszauber
wollte nur ein bisschen mit ihm spielen …«
»Spielen?« Opa Menno schnaubte. »Eine Katze ist eine Katze. Wenn sie einen Vogel sieht, erwacht ihr Jagdinstinkt. Daisy hat sich nur artgerecht verhalten.«
Großtante Katrin schrie auf. »Menno, Daisy weiß , dass Sahib nicht einfach nur ›ein Vogel‹ ist! Und wenn die Katze das vergisst, muss sie verschwinden. Darauf bestehe ich!«
»Und ich«, keifte Omi Anni, »bestehe darauf, dass Sahib im Käfig und Daisy im Haus bleibt!«
Mein Vater versuchte die Wogen zu glätten. »Solange der Vogel im Käfig hockt, passiert ihm nichts, Katrin.«
»Daisy muss weg«, forderte Großtante Katrin. »Sie hat meinen Sahib fast getötet. Schaut doch nur, wie der Arme leidet! Und wie er aussieht – er wird nie mehr der alte sein.«
»Schönheit vergeht nun mal«, stellte Opa Menno unbarmherzig fest.
Großtante Katrin stampfte mit dem Fuß auf. »Das musst gerade du sagen!«
Lene schaute aus der Tür. »Daisy! Komm zurück, Süße!«
Mit einem zornigen Fußtritt knallte Großtante Katrin die Haustür zu. »Wenn ihr die Katze ins Haus lasst, ziehe ich aus!«
Opa Menno schnaubte. »Übertreib’s mal nicht, Katrin!«
Meine Mutter stieß ihn an. »Hör auf zu lachen, Menno!«, und mein Vater meinte: »Warum setzen wir uns nicht gemütlich in die Stube und trinken ein Gläschen Wein?«
Großtante Katrin hauchte einen Kuss auf die wenigen Federn, die Sahib geblieben waren. »Kamillentee wäre mir lieber.«
Lene, Line und ich atmeten erleichtert auf. Wenn Großtante Katrin Kamillentee verlangte, war das Schlimmste vorbei. Wir drei flitzten die Treppe hoch.
»Das Unglück konnte natürlich nur passieren, weil alle Türen offen standen«, erklärte Line in meinem Zimmer.
»Klar, aber kein Mensch macht bei uns die Türen zu. Katinka, dir ist echt was entgangen.« Lene streifte die Schuhe von den Füßen und setzte sich zu Line auf mein Bett. »Wir haben Zimtsterne gebacken, und natürlich haben wir an nichts Böses gedacht. Popeye und Daisy schliefen auf ihrer Matte im Flur, und gerade, als Omi Anni wissen wollte, wo du steckst und Mama zu schimpfen begann und Drohungen ausstieß, bellte Popeye …«
»… und Sahib flog auf den Küchentisch.« Line lachte. »Mama sagte: ›Wo kommst du denn her?‹, da flatterte Sahib auf den Rand der Schüssel und steckte seinen Schnabel in den Teig. Omi Anni …«
»… konnte Sahib ja noch nie leiden«, erklärte Lene und lachte auch, »deshalb wedelte sie mit den Händen und schrie: ›Das ist unhygienisch! Fort mit dir, Sahib!‹«
»Und weil an ihren Händen Teig klebte, flog ein Batzen Sahib an den Kopf. Das erschreckte ihn so, dass er …«
»… vielleicht verklebte ihm der Teig auch die Augen«, widersprach Lene. »Jedenfalls flatterte Sahib anstatt in Großtante Katrins Arme, wo er in Sicherheit gewesen wäre, auf einen Hocker …«
»… Daisy machte einen Satz, und schon hatte sie ihn im Maul.«
»Du hättest«, rief Line, »Großtante Katrin sehen sollen! Sie hechtete sich auf Daisy, aber …«
»… Daisy sauste, den krächzenden Sahib zwischen den Zähnen, in den Flur, verkroch sich unterm Stuhl, und …«
»… spielte mit ihm wie mit einer Maus«, erklärte Line. »Wenn nicht Opa Menno gekommen und Daisy seine Pfeife an den Kopf geworfen hätte …«
»… wäre Sahib nicht mehr am Leben«, schloss Lene den Bericht. »Wirklich, dir ist etwas entgangen, Katinka. Wo warst du eigentlich? Bei Melli?«
»Quatsch. Du warst bestimmt bei deinem Freund«, kombinierte Line.
»Wie kommst du darauf?«, fragte ich harmlos.
Line legte den Kopf schief. »Du siehst so … so verträumt aus.«
»Und irgendwie glücklich«, stellte Lene fest. »Hattet ihr Streit? Und jetzt vertragt ihr euch wieder?«
»Seid nicht so neugierig; sagt mir lieber, wie Sahib aus dem Käfig fliegen konnte.«
»Das ist natürlich die alles entscheidende Frage«, stellte Line fest. »Großtante Katrin schwört Stein und Bein, dass sie die Käfigtür einwandfrei zugemacht hatte.«
»Sie verdächtigt Omi Anni«, sagte Lene. »Aber ich glaube nicht, dass sie Sahibs Käfigtür geöffnet hat; so fies ist sie nicht.«
»Bestimmt nicht«, versicherte Line. »Ich glaube eher, dass Großtante Katrin sich täuscht. Auf jeden Fall hast du Glück gehabt. Mama sagte nämlich: ›Wenn Katinka kommt, kann sie was erleben! So spät nach Hause zu kommen, geht einfach nicht. Und dann noch das Handy auszuschalten! Das ist die Höhe!‹ Hast du tatsächlich das Handy
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