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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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denkst du dir denn dabei, die Zeit so zu vertrödeln.« Ihre Stimme klang hörbar aufgebracht. »In einer halben Stunde wird oben gegessen. Deine Herrin erwartet dich zum Umkleiden.«
    »Sie haben ja Spinnweben im Haar, Miss Kitty«, rief Betty aus, die eben dabei war, die Torte, die zum Nachtisch bestimmt war, mit Zuckerguß zu verzieren.
    Kitty ließ sich von der verärgerten Köchin nicht einschüchtern. Sie holte die Miniatur hinter ihrem Rücken hervor und hielt sie Mrs. Bobington unter die Nase: »Wer ist das wohl?« erkundigte sie sich.
    Die Köchin stutzte: »Wo hast du das her?« wollte sie wissen, und ihre Stimme klang, als habe sie Kitty bei einem Diebstahl erwischt. »Seine Lordschaft hat das Bild vor Jahren verlegt und nie wiedergefunden. Wie kommt es in deine Hände?«
    »Ich fand es…« Kitty stockte. Nein, sie konnte unmöglich die Wahrheit erzählen. Wenn sie gestand, die Miniatur im Westflügel gefunden zu haben, dann würde man sie fragen, was sie dort zu suchen hätte. Und dann würde ihre Suche nach Miss Westbourne nie von Erfolg gekrönt sein. »Ich fand es in meinem Zimmer«, erklärte sie rasch. »Unter der Matratze. Ganz zufällig. Ich wollte meine Haarspange suchen, die mir…«
    Mrs. Bobington hörte ihr schon nicht mehr zu. »Seltsam«, murmelte sie und schüttelte langsam den Kopf. Sie riß sich aus ihren Gedanken und hielt Kitty energisch ihre Hand entgegen. »Gib mir das Bild. Ich werde Mr. Shedweil bitten, es Seiner Lordschaft zu übergeben.«
    Kitty riß ihre Hand zurück und drückte die Miniatur an sich. » No! « rief sie entschieden. »Ich möchte erst von Ihnen wissen, wen es darstellt.«
    Mrs. Bobington kniff die Lippen zusammen und sagte kein Wort.
    »Das ist Barbara, nicht wahr?« erklärte Kitty. »Barbara, die keiner kennen will. Geben Sie jetzt zu, daß es sie gibt?«
    Mrs. Bobington schnaufte verächtlich: »Ach was, Barbara«, sagte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Das ist Miss Silvie. Unsere Miss Silvie, als sie noch klein war.«

XIX.
    Justin Tamworth, der Earl of St. James, starrte gedankenverloren aus dem Fenster. Es war noch früh am Morgen, die Sonne war eben aufgegangen. Hinter ihm prasselte ein frisches Feuer im Kamin. Er selbst hatte die Glut wieder zum Lodern gebracht. War es nicht seltsam? Es war dies, soweit er zurückdenken konnte, das erstemal seit Eton, daß er selbst Feuer machte. Wo auch immer er sich bisher aufhielt, überall waren genug Diener bereitgestanden, um ihm solche Handgriffe abzunehmen. Sicher, er hätte auch jetzt diesem kleinen, untersetzten Burschen mit den Knopfaugen läuten können, diesem Frank. Oder Al. Der Earl grinste, und dieser Gedanke machte ihm diebisches Vergnügen. Was für eine amüsante Idee, sich von Lornerly den Kamin anzünden zu lassen. Doch nein, er wollte lieber alleine sein. Er wollte einmal in Ruhe diese seltsame Situation überdenken, in der er sich befand. Die Gedanken ordnen und einen Entschluß über das weitere Vorgehen fassen. Vorsichtig hielt er die Kerze ans Fenster. Die Eisblumen schmolzen wie in der wärmenden Frühlingssonne. Es hatte in der Nacht aufgehört zu schneien. Still und verträumt lag die Landschaft vor ihm. Die Marmorfigur des zierlichen Springbrunnens trug eine dicke weiße Haube. Die Sträucher des Parks waren ebenso dicht verschneit wie die Rasenflächen. Nur ein schmaler Weg war freigeräumt, der ein Stück weiter vorne eine Kurve beschrieb und hinter einer Gruppe von Nadelbäumen aus seinem Blickfeld verschwand. Von weitem drang das Rauschen des Meeres zu ihm hinauf. Er konnte den Strand nicht sehen, aber vom Horizont waren deutlich die grauen, aufbrausenden Wogen der See zu vernehmen. Wie schön es hier war. Ruhig und friedlich. Er begann sich mit dem Gedankenanzufreunden, noch ein paar Tage auf Bakerfield-upon-Cliffs zu bleiben. An eine Heimfahrt war bei dieser Schneelage nicht zu denken. Vielleicht gab es einen Schlitten im Stall. Er könnte mit Paulina eine Ausfahrt unternehmen. In dicke warme Decken und Felle gehüllt, würden sie die Kälte gut ertragen. Mit Paulina durch den Winterwald. Welch romantische Idee. Damen liebten Romantik, Paulina würde begeistert sein. Er legte den Kopf schräg und überlegte. Ob auch Mary Ann Romantik liebte? Er wußte nicht so recht. Mary Ann war so realistisch, stand mit beiden Beinen auf der Erde. Sie würde einen Spaziergang einer Schlittenfahrt vorziehen. Ob sie wohl mitkam, wenn er sie zu einem Spaziergang einlud? Er würde gerne mit ihr

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