Schneegestöber (German Edition)
all dein Vermögen für mich aufs Spiel zu setzen?« Diese Worte waren mehr eine Feststellung als eine Frage, und es war ihm deutlich anzumerken, wie erstaunt er war, aber auch wie glücklich. »Ich glaube fast, Missy, du liebst mich auch.« Kitty brauchte nicht lange zu überlegen: »Ich weiß auch nicht, wie das kommt, Al Brown«, gab sie schließlich zu. »Aber ich liebe dich wirklich. Und du? Und du, Al Brown, liebst du mich denn auch?« erkundigte sie sich nach ihrem nächsten Kuß. Er lächelte zu ihr herab: »Natürlich liebe ich dich. Ich habe dich seit dem ersten Augenblick geliebt, da ich dich sah. Erinnerst du dich? Du kamst in das Büro von Mrs. Clifford und warst wütend, weil du dachtest, deine Tante hätte mich geschickt.«
Kitty lachte leise auf: »Natürlich erinnere ich mich«, bestätigte sie. »Du sahst so anders aus als all die Diener, die ich vor dir in Diensten hatte. Und du sprachst einen abscheulichen Yorkshire-Dialekt …«
Sie stutzte. »Wie kommt es, daß du jetzt so klares, lupenreines Englisch sprichst? Wenn ich es mir recht überlege, dann sprichst du schon geraume Zeit akzentfrei.«
Al Brown war durch diese Frage in Verlegenheit geraten. »Ich hatte eine gute Lehrerin«, antwortete er schließlich, ohne ihr in die Augen zusehen.
»Das kann es nicht sein«, widersprach Kitty mit Nachdruck. »Ich glaube, du hast mich an der Nase herumgeführt. Du konntest bereits bestes Englisch sprechen, bevor du zu uns kamst, nicht wahr?«
»Willst du wirklich die Wahrheit wissen?« erkundigte er sich. »Möchtest du meine Geschichte von Anfang an hören?«
Und ob Kitty das wollte. »Natürlich will ich das.« Sie nickte entschlossen. Sie nahm auf dem einen Stuhl neben dem Kamin Platz und deutete auf den anderen, um ihn aufzufordern, sich ebenfalls zu setzen: »Doch zuerst nimm eine Tasse Grog, bevor er ausgekühlt ist«
»Nein, zuerst sagst du mir, ob du mich wirklich liebst«, forderte er sie auf.
»Ich liebe dich, Al Brown. Te quiero! « bestätigte sie zärtlich. Und um ihre Worte zu bekräftigen, sprang sie auf, schlang ihre Arme um seinen Hals und küßte ihn auf den Mund. Es dauerte einige Zeit, bis er sie wieder losließ. Doch dann schob auch er seinen Stuhl zum Feuer und legte zwei Holzscheite auf die Glut im Kamin. Da der Tisch wirklich keinen vertrauenerweckenden Eindruck machte, rückte er kurzentschlossen die Kommode in Reichweite. Während Kitty sich bei den Kuchen bediente, goß er sich den dampfend heißen Grog in seine Tasse. Dann trank er einige Schlucke schweigend und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Alles begann mit einem Besuch meines Onkels Milton Cox …«, begann er zu erzählen.
XXII.
Als Mary Ann am nächsten Morgen zum Frühstück erschien, herrschte im Frühstückszimmer hellste Aufregung. Mr. Finch, der Kaplan, den sie als ruhigen bedachten Menschen kannte, stand nebenseinem Stuhl und tobte. Sein Gesicht war krebsrot, und sein Doppelkinn zitterte vor Empörung. »Ein wackeres Weib ist des Gatten Krone, ein schandbares aber wie Fraß in seinen Gebeinen!« zitierte er und streckte anklagend seine Hände in die Höhe. »Daß ich diese Schande in diesem Haus erleben mußte. Im Hause eines Christen, im Hause eines Mannes von edler Gesinnung und aufrechtem Glauben.«
»Sehr richtig, Mr. Finch«, bestätigte Mrs. Aldwin und strich sich ungerührt Marmelade auf den gebutterten Toast. »Sehr richtig. Onkel Robert muß darauf bestehen, daß die beiden heiraten.«
»Sehr richtig, Mylady, sehr richtig«, bestätigte Mr. Finch, nahm wieder auf seinem Stuhl Platz und stopfte sich mit raschen Griffen die Serviette in seinen Kragen. »Die Moral muß wiederhergestellt werden. Entweder die beiden heiraten, oder man muß sie auspeitschen.«
»Wie klug von Ihnen, Kaplan. Natürlich, Sie haben recht. Entweder sie heiraten, oder man muß sie auspeitschen und davonjagen«, bestätigte Mrs. Aldwin nickend und griff mit der Gabel nach einer neuen Scheibe Schinken. »Das ist das einzige, was man in einem solchen Fall machen kann, meinst du nicht auch, mein Lieber?«
Mr. Aldwin, so angesprochen, gab ein zustimmendes grunzendes Geräusch von sich. Er enthielt sich jedoch jeder Aussage.
»Worum geht es denn, Mama?« begehrte Paulina zu wissen. An dem Tonfall, in dem sie diese Frage stellte, und daran, daß sie ungeduldig am Ärmel ihrer Mama zupfte, war zu erkennen, daß sie diese Frage nicht zum erstenmal stellte.
»Das verstehst du nicht, mein Täubchen. Das verstehst du, Gott
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