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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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Hosentaschen nach einem Taschentuch. Mrs. Bobington, die den großen, wohlerzogenere Dienstboten ins Herz geschlossen hatte, ging in ihr eigenes Zimmer hinüber und kam mit einem dicken karierten Wollschal zurück. »Den hat mir meine Schwester geschickt, Mr. Al. Sie wohnt oben in Schottland, müssen Sie wissen. Schon seit einigen Jahren. Sie hat einen Gärtner geheiratet. Es geht ihr nicht schlecht dort oben. Sie kann sich sogar leisten, ihrer Schwester derart wertvolle Geschenke zu machen. Das ist wirklich ein warmes Stück. Sie sollten ihn um Ihren Hals legen. Es ist ja wirklich schrecklich, wie Sie sich verkühlt haben. Hier, mein Junge.«
    Al nahm den Schal dankbar entgegen und band ihn mit raschen Griffen um seinen schmerzenden Hals: »Ist es wohl unverschämt, wenn ich Sie bitte, mir einen Grog zuzubereiten, Mrs. Bobington?« krächzte er. Mrs. Bobington schüttelte den Kopf: »Würd ich Ihnen ja gerne geben, mein Junge, Mr. Al. Doch leider, es geht nicht. Mr. Finch, Sie wissen, der Kaplan, hat verboten, daß die Diener Alkohol zu sich nehmen. Er meint, das würde unseren Geist nur verwirren und uns von der Arbeit abhalten. Wie haben wir uns aufgeregt. Der gute Mann traut uns glatt zu, daß wir unsere Arbeit vernachlässigen und uns besaufen wie die Leute unten in der Dorfschenke. Obwohl ich mein ganzes Leben lang nie und nimmer …«
    Al machte eine mutlose Handbewegung: »Ist schon recht, Mrs. Bobington«, sagte er und erhob sich, seine Teetasse immer noch in derRechten: »Ich werde mich jetzt zurückziehen, wenn Sie erlauben. Sicher wird der Tee da genügen, um mich wieder auf die Beine zu bringen.« Er stand etwas wacklig auf den Füßen, und hätte er sich nicht rasch an der Tischplatte festgehalten, so hatte es fast den Anschein, als wären seine Knie zusammengeknickt.
    Kitty sah es und faßte einen ebenso spontanen wie abenteuerlichen Entschluß: »Ach, Al, bevor ich’s vergeß«, verkündete sie scheinbar beiläufig. »Seine Lordschaft, ich meine Mr. Rivingston, hat mir aufgetragen, dich nach dem Essen mit einer großen Kanne Grog zu ihm zuschicken.«
    Mrs. Bobington wandte sich ihr zu, ihre tiefliegenden grauen Augen waren vor Überraschung weit aufgerissen: »Ist Seine Lordschaft am Ende auch verkühlt?« erkundigte sie sich. »Das ist ja das reinste Krankenhaus hier.«
    »Ja, es hat fast den Anschein«, log Kitty ungerührt. »Ich habe Mr. Rivingston heute einige Male husten hören.«
    Al zog überrascht die Augenbrauen zusammen. Er hatte Justin vor dem Dinner gesprochen. Da war weder von dem Auftrag, ihm einen Grog aufs Zimmer zu servieren, die Rede gewesen, noch machte sein Freund einen kranken Eindruck. Er konnte sich nicht erinnern, ihn auch nur einmal husten gehört zu haben. Aber bitte, wenn Kitty es sagte, dann hatte er keinen Grund, an ihren Worten zu zweifeln. Obwohl er verdammt viel darum gegeben hätte, sich umgehend ins Bett legen zu können. Auch wenn es ein eisiges, steifgefrorenes Bett war.
    Eine Viertelstunde später war das heiße, alkoholische Getränk fertig. Es roch aromatisch und verlockend, und Al fragte sich, ob er nicht seinen Freund bitten sollte, ihm einen Teil davon abzutreten. Mrs. Bobington überreichte ihm das Tablett. »Ich habe auch noch ein paar Kuchen und Schnittchen dazugelegt, falls Ihr Herr Hunger bekommen sollte. Sagen Sie ihm, ich lasse recht gute Besserung wünschen.«
    »Ich werd’s ausrichten. Danke, Mrs. Bobington. Eine gute Nacht allerseits«, antwortete Al und öffnete mit der freien linken Hand die Küchentür. Kitty schnappte sich eine Kerze von dem schmalen Bord an der Seite neben der Tür und schlüpfte hinter ihm aus der Küche.
    »Pst, Al«, flüsterte sie, als sich der Diener in Richtung Eingangshalle aufmachte. Sie öffnete die schmale Tapetentür zur Hintertreppe: »Hier hinauf.«
    Al folgte ihr widerstrebend: »Bitte, Kitty, ich bin sehr müde. Was auch immer du vorhast, können wir das nicht auf morgen verschieben? Laß mich jetzt schnell ins Zimmer Seiner Lordschaft gehen und dann …«
    »Nein, du gehst nicht ins Zimmer Seiner Lordschaft«, flüsterte Kitty energisch. »Wir gehen in meine Kammer. Also bitte, mach nicht so einen Lärm. Sonst hört uns am Ende noch jemand.«
    Es hätte nicht viel gefehlt, und Al hätte das Tablett samt der schweren Silberkanne und all den Köstlichkeiten, die Mrs. Bobington zubereitet hatte, auf den Steinboden fallen lassen: »In deine Kammer!« fuhrerauf.
    Kitty legte erschrocken ihren rechten Zeigefinger an

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