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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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Garderobe paßte. Ein Zwicker auf der Nase gab ihrem Gesicht ein strenges Aussehen, das durch die schmalen, bläulichen Lippen und das spitze Kinn noch unterstrichen wurde. Das Auffallendste jedoch war eine kreisrunde Warze auf der linken Wange, aus der Haare in unterschiedlicher Länge und Farbe wuchsen. Dieser seltsame Anblick hatte schon manchen Besucher so verwirrt, daß er einem Gespräch mit der Schulleiterin nur mit Mühe folgen konnte. Die Mädchen aber hatten sich längst an Mrs. Cliffords Aussehen gewöhnt.
    Kitty betrat das Zimmer mit dem unbehaglichen Gefühl, daß ihr unerlaubter Ausritt vom Vortag entgegen ihren Hoffnungen nicht unbemerkt geblieben war. Doch Mrs. Clifford hatte etwas ganz anderes mit ihr zu besprechen: »Es ist untragbar, daß deine Pferde keine geeignete Betreuung haben, Charlotta«, begann sie ohne Umschweife und blickte, hoch aufgerichtet in ihrem Schreibtischstuhl, mit ernstem Blick zu ihrer Schülerin empor. Wie immer, wenn eines der Mädchen gerügt wurde, wartete auch Kitty vergeblich darauf, daß ihr ein Sitzplatz angeboten wurde. »Hast du deiner Tante geschrieben, daß sie einen Pferdeknecht einstellen und hierherschicken soll, wie ich es dir aufgetragen habe?«
    Kitty hatte nichts dergleichen getan. Sie wußte, daß Tante Jane wieder einen Mann ihres Vertrauens auswählen würde. Und dieser würde sie abermals über das Verhalten und die Unternehmungen ihrer Nichte auf dem laufenden halten. Sie hatte gehofft, selbst einen Burschen zu finden. Doch dieses Unterfangen erwies sich als unmöglich. Überdies war es angenehm, die Tiere von Susann Corplets Knecht Fred mitbetreuen zu lassen. Dieser sattelte Salomon für sie, ohne lange Fragen zu stellen. Mrs. Clifford deutete das Schweigenihres Schützlings richtig: »Du enttäuschst mich sehr, Charlotta«, sagte sie streng: »Ich vertraue darauf, daß meine Schülerinnen meine Anweisungen befolgen. Dein Verhalten jedoch zwingt mich dazu, selbst an Lady Farnerby zu schreiben und um einen Reitknecht zu bitten.«
    Es war erst nach dem Mittagessen, die Mädchen hatten sich wie gewöhnlich zu einer Stunde Ruhepause in ihre Zimmer zurückgezogen, als Kitty dazu kam, ihrer Freundin den Inhalt des Gespräches mit Mrs. Clifford zu erzählen.
    »Das war also der Grund, daß sie dich zu sich holen ließ«, sagte Mary Ann aufseufzend. »Und ich dachte schon, dein gestriger Ausritt sei ihr zu Ohren gekommen. Weißt du, Kitty, vielleicht wäre es wirklich nicht schlecht, wenn du wieder einen Stallknecht hättest. Als Joe hier war, konnten wir jederzeit eine Ausfahrt unternehmen, wenn uns der Sinn danach stand. Nun müssen wir stets Mrs. Clifford um Erlaubnis bitten, daß einer ihrer Stallburschen deinen Wagen kutschiert.«
    »Du hast ja recht«, erwiderte Kitty. »Mir ist auch nicht wohl dabei, daß Mrs. Clifford über jeden unserer Schritte Bescheid weiß. Außerdem habe ich ernstliche Zweifel, ob Fred Salomon ordentlich versorgt. Er scheint mir nicht so zuverlässig zu sein, wie ich anfangs gehofft hatte. Und dennoch…« Sie lehnte sich in ihrem Fauteuil zurück und streckte ihre Arme in die Höhe, bevor sie sie mit einem Aufseufzen wieder in ihren Schoß sinken ließ. »Wenn wir doch nur einen Ausweg wüßten. Natürlich will ich einen eigenen Pferdeknecht, aber nicht einen, der aus Tante Janes Diensten kommt und der ihr alles über unsere Unternehmungen erzählt. Ständig Tantes Briefe mit den vielen Ermahnungen. Ständig die wiederkehrende Drohung, mich von Mrs. MacWetherby erziehen zu lassen. Du weißt, das ist eine ehemalige Gouvernante ihrer Töchter, die meine Cousinen Lizzy und June zu ordentlichen Damen der Gesellschaft erzogen hat. No, gracias. Wir müssen selbst einen geeigneten Burschen finden.«
    »Bis heute ist uns das nicht gelungen«, warf Mary Ann trocken ein.
    »Und ich wüßte auch nicht, wie uns das in Hinkunft gelingen sollte.Gute Pferdeknechte klopfen nicht an die Schultür und bitten um Arbeit.«
    Kitty lachte amüsiert: »Du hast recht«, stimmte sie zu. »Außerdem haben wir ohnehin keine Wahl: Mrs. Clifford wird noch heute nachmittag eines der Mädchen mit einem Brief an Tante Jane zum Postamt nach Bath schicken. Also können wir nur warten und hoffen, daß uns Mylady einen Mann schickt, der wenigstens mit Pferden umzugehen weiß.«
    Sie begann ihr Kleid aufzuknöpfen und öffnete den Schrank, um nach einem freien Bügel Ausschau zu halten. Es war Zeit, daß sie sich für den Nachmittag umkleidete. Nachdenklich

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