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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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nahezu das gesamte freie Gesicht. Obwohl Als Haare blond waren, waren Wimpern, Brauen und der Bart dunkel. Sie bildeten einen seltsamen Kontrast und gaben Al etwas Furchterregendes, ja Wildes. Kitty gab ihrem Unmut lautstark Ausdruck: »So kann das nicht weitergehen«, rief sie aus. »Sie gehen auf der Stelle noch einmal in Ihr Zimmer hinauf, AI Brown, und rasieren sich.«
    Al schüttelte den Kopf: »Is’ nicht drin, Missy«, erklärte er kategorisch. Er wandte sich von den Pferden ab und ging ihr entgegen, um ihr die Tasche abzunehmen: »Sie sollen Ihr Gepäck nicht selbst tragen«, sagte er streng. »Ich dachte, diesen Punkt hätten wir geklärt.«
    Kitty war nur zu froh, ihm das schwere Gepäckstück überlassen zu können. Doch keinesfalls war sie gewillt, Kritik von ihrem Diener widerspruchslos hinzunehmen: »Ich bin jetzt Zofe«, erklärte sie würdevoll. »Also trage ich die Tasche selbst. Und Sie gehen sich jetzt rasieren, Al. Sie sehen aus wie ein Straßenräuber. Keiner würde Sie je für den Diener einer vornehmen Dame halten.«
    Al blickte zu ihr hinunter, und ein spöttisches Lächeln trat auf seine vom Bart nahezu verdeckten Lippen. »Ich bin der Diener eines ungezogenen kleinen Mädchens, das von der Schule getürmt ist. Nicht von einer vornehmen Dame«, stellte er richtig.
    Kitty schnappte nach Luft. »Al Brown!« rief sie aus. Sie stemmte ihre Arme in die Hüften und stellte sich drohend vor ihn hin. »Al Brown, ich werde Sie…« Sie standen sich nun ganz nahe gegenüber. Er beugte sich zu ihr hinab. In seine Augen trat ein Ausdruck, von dem sie nicht wußte, wie sie ihn interpretieren sollte. Jedenfalls war sie so verwirrt, daß sie vergaß, was sie ihm hatte androhen wollen. Er wich ihrem Blick nicht aus: »Sie werden was, Missy?« fragte er leise, und ein seltsames Aufleuchten trat in seine blauen Augen.
    »Al!« Mary Anns laute Stimme riß sie unbarmherzig aus ihrer Versunkenheit. Sie stand in der offenen Eingangstür des Gasthauses und winkte den Diener zu sich. »Bitte kommen Sie, und helfen Sie dem Hausknecht, die Koffer zu tragen.«
    »Sofort, Madam!« Al wandte sich nur widerwillig von Kitty ab, steckte seine Hände in die Hosentaschen und machte sich daran, Mary Anns Befehl auszuführen. Er war schon auf dem halben Weg zur Gasthaustür, als ihm etwas einfiel: »Was heißt das, Sie sind jetzt Zofe, Missy?« erkundigte er sich über die Schulter hinweg.
    Kitty stand noch immer wie angewurzelt an derselben Stelle. Nun sah sie auf und verspürte mit einem Mal keine Lust, ihren Diener in die weiteren Pläne einzuweihen: »Fragen Sie Mary Ann«, erklärte sie daher nur. »Die wird Ihnen alles weitere erzählen.«
    Mit kurzen Worten weihte Mary Ann Al in die Pläne ein, die sie für den heutigen Tag beschlossen hatten. Der Diener amüsierte sich im stillen über den Gedanken, daß die verwöhnte Miss Stapenhill Zofe spielen wollte und im unteren Geschoß mit fremden Dienern ihre Mahlzeiten einnehmen würde. Kurz darauf erschien auch Seine Lordschaft im Hof des Gasthauses, nachdem er die Zeche bezahlt und den Wirt nach dem schnellsten und sichersten Weg nach Rye gefragt hatte.
    Sie erreichten das Zentrum der kleinen Stadt am frühen Nachmittag. Al hielt am Straßenrand an und fragte eine Frau, die mit einem schweren Korb beladen die ungepflasterte Straße entlangging, nach dem Weg nach Bakerfield-upon-Cliffs. Die Fahrgäste im Inneren des Wagens waren zunehmend nervös geworden. Das Gespräch, das zu Beginn ihrer Reise mühsam aufrechterhalten worden war, war gänzlich versiegt. Was würde ihr Besuch in Bakerfield-upon-Cliffs bringen? Würde man ihr Spiel durchschauen? Würden sie Silvie Westbourne noch heute gegenüberstehen? Mary Ann war nicht wohl bei dem Gedanken, daß sich der Earl als ihr Bruder ausgeben wollte. Doch als sie ihn darauf ansprach, reagierte er ungehalten: »Haben Sie denn eine bessere Idee?« knurrte er sie an. »Wen soll ich Ihrer Meinung nach denn darstellen? Ihren Onkel vielleicht? Ihren Ehemann, Ihren Liebhaber?«
    Mary Ann warf ihm einen bösen Blick zu und schwieg. Er hatte ja recht. Wie sollte man jemandem, der auf Sitte und Anstand hielt, erklären, daß sie mit einem wildfremden Mann durch die Lande fuhr? Sie wandte sich ab und ließ ihren Blick durch das Kutschenfensterstreifen. Die malerischen kleinen Fachwerkhäuser des mittelalterlichen Städtchens zogen vorbei. Mary Ann war nicht in der Stimmung, die Schönheiten der Umgebung zu würdigen: »Erzählen Sie mir

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