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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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Spielzeug haben, ich weiß nicht mehr,was es war. Ich glaube, ein Holzpferd. Ja, es war ein Holzpferd. Doch es gehörte seinem Bruder, weißt du. Es gehörte Billy. Billy ist vier.«
    St. James stellte die Tasse mit lautem Klirren auf der Untertasse ab: »Kannst du bitte auf den Punkt kommen!« forderte er sie auf und blickte betont gelangweilt aus dem Fenster.
    »Eines Tages ließ sich seine Mutter überreden und kaufte auch John ein Holzpferd. Er spielte einige Tage damit. Doch eine Woche später war es verschwunden. John suchte es überall. Er war wütend und tobte. Er kreischte und strampelte und stampfte mit dem Fuß. Man mußte nicht viel von Kindern verstehen, um zu merken, daß John wütend war. Er war allerdings nicht wütend darüber, daß das Pferd verschwunden war, weil er es so liebte. Er war wütend darüber, weil er dachte, jemand wollte ihm sein Eigentum streitig machen. Er dachte, jemand habe das Holzpferd versteckt, nur um ihn zu ärgern.«
    Wider Willen war St. James doch gespannt, wie die Geschichte ausgehen würde. »Und?«
    »Eines Tages fand ihre Nanny das Pferd unter dem Bett«, fuhr Mary Ann fort. »Sie stellte es John auf sein Regal über dem Schreibtisch, und niemand machte ihm mehr sein Eigentum streitig. Und da verlor John jedes Interesse an diesem Spielzeug. Da stand es also eine Zeitlang unbeachtet auf dem Regal.« Mary Ann nahm einen kleinen Schluck Tee. »Und als die Buben sich wieder einmal stritten, warf John das Pferd ins Feuer.«
    »Ist das alles?« vergewisserte sich St. James fassungslos. Mary Ann nickte. Der Earl rutschte auf seinem Stuhl vor bis zur Kante, legte seine Hände auf die Knie und blickte Mary Ann direkt ins Gesicht: »Und wo ist da die Parallele, bitte schön? Silvie ist doch kein Holzpferd! Und wenn ich der John dieser Geschichte bin, dann habe ich sie auch nicht bekommen, weil mein Bruder eine ebensolche Braut hat. Denn ich habe gar keinen Bruder. Es gibt überhaupt keinen Billy in meiner Geschichte. Und ich habe auch nicht vor, Silvie ins Feuer zu werfen, wenn ich sie einmal gefunden habe.«
    Mary Ann ließ sich nicht beirren: »Natürlich nicht«, sagte sie gelassen. »Aber du liebst sie nicht. Du willst sie besitzen, weil du sie für dein Eigentum hältst. Und wenn du sie hast, wirst du sie aufs Regal stellen und nicht mehr beachten. Das ist alles.«
    »Unsinn!« fuhr der Earl auf. »Was für ein kompletter, hirnverbrannter Unsinn.« Er schlug sich energisch mit seinen Händen auf die Oberschenkel, stand dann auf und nahm seine nervöse Wanderung durch das Zimmer wieder auf. »Na gut«, gab er schließlich widerwillig zu. »Ich liebe Silvie Westbourne nicht. Wie könnte ich auch, ich habe sie ja vor unserer Trauung kaum gesehen. Aber sie ist nun einmal meine Frau…«
    »Ist sie nicht. Und du weißt das genau«, warf Mary Ann dazwischen. St. James biß die Lippen zusammen: »Wir werden die Trauung nachholen«, sagte er, keinen Widerspruch duldend. »Sie wird merken, daß sie so mit mir nicht verfahren darf. Man macht mich nicht ungestraft zum Gespött von ganz London. Sie wird meine Frau, ob sie will oder nicht. Sie gehört zu mir, ist das klar? Ist das klar, Mary Ann?« Die Lippen zu einem schmalen Strich gepreßt, starrte er mit blitzenden Augen zu ihr hinunter.
    Mary Ann hielt seinem flammenden Blick stand: »Du willst das Holzpferd also auch verbrennen«, stellte sie fest, bemüht darum, ihre Ruhe zu bewahren. »Und dich dazu.«
    Der Earl, eben noch so wütend, daß er drauf und dran war, sie anzuschreien, war durch diese Bemerkung völlig verblüfft. Er hob die Hände zum Himmel und ließ sie in hilfloser Geste wieder fallen: »Was soll denn das nun wieder heißen?« wollte er wissen. Und es klang schon bedeutend ruhiger.
    »Nun, ich denke, eine Ehe ohne Liebe ist für eine Frau die Hölle. Noch dazu, wenn ihr ungeliebter Mann sie für sein Eigentum hält, über das er nach Belieben verfügen kann. Es wird sie unglücklich machen. Glaubst du, daß dich das glücklich machen wird?«
    St. James überdachte diesen Einwand eine Zeitlang schweigend. Es konnte nicht sein, daß dieses Mädchen recht haben sollte. »Unsinn«, sagte er daher schließlich. Aber es klang nicht mehr so gereizt wie vorher. »Vernunftehen ohne die sogenannte Liebe sind in adeligen Kreisen durchaus an der Tagesordnung. Für eine Frau von Stand ist eine derartige Ehe keinesfalls die Hölle.«
    Nun war es an Mary Ann, ihn zornig anzufunkeln: »Du fängst schon wieder damit an«, warf sie

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