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Schneenockerleklat

Schneenockerleklat

Titel: Schneenockerleklat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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der jüngere etwa in Palinskis
Alter.
    Der ältere Mann sah irgendwie aus wie ein überwutzelter
Operettentenor, seine Sonnenbrille wirkte angesichts der Dunkelheit vor den
Fenstern lächerlich. Eine kleine Narbe am Kinn gab ihm andererseits wieder eine
Spur Verwegenheit. Und er redete und redete, den Wortfetzen nach, die zu
Palinski drangen, italienisch. Nicht die astreine Hochsprache, sondern mit
einem leichten, aber nicht zu überhörenden Einschlag Mezzogiorno.
    Sein jüngeres Gegenüber hörte hauptsächlich zu, sein Beitrag
zum Gespräch beschränkte sich auf si, no und na prego, was ihn zweifelsfrei als
Nichtitaliener auswies. Die auf dem kleinen Tischchen vor dem Fenster liegende
Ausgabe des heutigen ›Steirer Boten‹ bestätigte diesen Verdacht nachhaltig.
    Palinski lehnte sich wohlig zurück, schloss die Augen und gab
sich dem angenehm-rhythmischen Dumdum, Dumdum des Fahrgeräusches hin.
    Er war fast eingenickt, als ihn ein grundsätzlich reizvoller,
in dieser Konzentration aber doch penetranter und daher nicht wirklich
angenehmer Geruch in den völligen Wachzustand zurückholte.
    Als er die
Augen öffnete, erblickte er eine äußerst auffällige, in einem etwas
gewöhnlichen Sinn attraktive junge Frau, die ihm gegenüber Platz genommen
hatte. Am Fenster, gegen die Fahrtrichtung. Sie starrte ihn ungeniert an und
hörte damit auch nicht auf, als Palinski ungeniert zurückstarrte.
    »Sie müssen jemand Wichtiger sein!«, beendete die Schöne
schließlich das gegenseitige Anschweigen. »Ich habe noch nie erlebt, dass ein
Zug extra wegen einer Person angehalten wurde.«
    »Na, dann denken Sie doch an die vielen Unglücklichen, die
sich vor einen Zug werfen!«, entgegnete Palinski, ohne viel nachzudenken.
Gleich darauf bereute er die Geschmacklosigkeit aber schon wieder.
»Entschuldigen Sie, das sollte ein Witz sein!«
    »Aber kein sehr guter!«, meinte die junge Frau und hatte
völlig recht damit. Sie wirkte etwas enttäuscht, hatte von einem wichtigen
Zeitgenossen wie ihrem Gegenüber eine derlei plumpe Entgleisung nicht erwartet.
    »Palinski, Mario Palinski«, stellte sich selbiger vor. Er
hatte das nicht vorgehabt, aber ihm war in dieser Situation nichts anderes
eingefallen, um der selbstverschuldeten Peinlichkeit wieder zu entrinnen.
    »Post!«, erwiderte die Schöne, »Geneva Post. Ich
bin sozusagen das österreichische Pedal zu …«, wollte sie ungefragt erklären,
aber Palinski unterbrach sie.
    »Pendant!«, korrigierte er, »Sie meinen Pendant, nehme ich
an, also Gegenstück.«
    »Danke«, kicherte die junge Frau, »ich weiß, ich hab es mit
den Fremdwörtern nicht so. Das war schon in der Schule immer ein Problem. Also,
ich bin das österreichische Pedant …«
    Mario wollte schon wieder korrigieren, beschloss aber, es
besser bleiben zu lassen. Einerseits würde ihm seine beginnende Klugscheißerei
später selbst auf die Nerven gehen, das wusste er aus Erfahrung.
    Und andererseits wollte er noch vor Wiener Neustadt erfahren,
für wessen Pedant … Pendant diese Geneva Post, was für ein Name, sich hielt.
    »Also«, er sah sie ermutigend an, »wessen Gegenstück sind Sie
jetzt?«
    »Na, raten Sie mal«, jetzt fing die Sache an, so richtig
kurios zu werden. Das Weibchen wollte doch tatsächlich auf neckisch machen.
    »Ich rate nicht!«, entgegnete Palinski barsch. »Also sagen
Sie, was Sie sagen wollen, oder lassen Sie es bleiben!«
    »Na geh, Mario, ich darf doch Mario sagen? Raten
Sie doch! Bitte, bitte, bitte.« Geneva hatte ihre Lippen zu einem fast
perfekten Schmollmund geschürzt. »Nur einmal!«
    Jetzt unterlief Mario ein folgenschwerer Fehler. Statt das
brunftige Küken in die Schranken zu weisen – von wegen: Ich darf doch Mario
sagen, oder? – und die Angelegenheit damit zu beenden, hier und jetzt, musste
er plötzlich lachen. Irgendwie war diese Geneva von einer süßen, unbedarften,
einfältigen Frische, die man heute gar nicht mehr oft fand.
    »Also gut«, räumte er ein, und sie strahlte ihn dafür an.
»Ich denke, Sie meinen Pippi Langstrumpf?« Er hatte einfach das Erste gesagt,
das ihm eingefallen war.
    Sie aber starrte ihn an, unwissend, ungläubig, irgendwie süß,
wie gesagt.
    »Pippi Lang… was? Wer ist das? Von der habe ich noch nichts
gehört!«
    Palinski fühlte sich unendlich alt. Irgendwie erinnerte ihn
die Situation an Tinas zwölften Geburtstag, oder wars der 13. gewesen? Er hatte
ihr neben anderem Robinson Crusoe

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