Schneenockerleklat
hier allein zu lassen!«
»Ich schaffe das schon!«, beruhigte ihn der Ältere. »Und
vergiss nicht, das Leben von diesem Albert steht auf dem Spiel. Also verbock es
nicht!« Er klopfte Jo nochmals auf die Schulter, dann stieg er etwas mühsam aus
dem Wagen und schleppte sich zur Raststätte.
Na, so schlimm wirds schon nicht werden, dachte Fossler,
während er Gas gab und die Ausfahrt ansteuerte. Damit meinte er allerdings das
Schicksal Alberts.
Was dagegen Karls Gesundheit betraf, da machte er sich doch
echte Sorgen. Überhaupt, im Augenblick fühlte er sich gar nicht gut in seiner
Haut.
*
Endlich war es so weit, die Vorbereitungen für
den First International Snow Dumplings Contest waren abgeschlossen. Auf diese
nicht ganz authentische Übersetzung hatte sich Palinski wegen der überwiegend
Englisch sprechenden Zuschauer eingelassen. Es konnte also losgehen.
Insgesamt standen fünf TeilnehmerInnen am Start, darunter
auch ein Mann. Neben Jan Belghusen, Inspektor der Rotterdamer Kripo,
Junggeselle und begeisterter Hobbykoch, stiegen Berta Weilhammer, Maria Schutz,
Wilma Bachler, Wien, Inspektor Johanna Matzner, Kripo Salzburg, und, und das
war eine riesengroße Überraschung, Lady Paulina Millfish in den imaginären
Ring.
Pahl-Giacometti war stocksauer. Als es vorhin darum gegangen
war, neben Juri Malatschew, dem Präsidenten, und Adrian Eberheim, dem
Vizepräsidenten der Jury, drei weitere Mitglieder zu bestimmen, hatte er sich
vehement und lautstark um einen Sitz in diesem Gremium bemüht.
Einerseits liebte er Ehrenämter, die mit einer Art
Schiedsrichterfunktion verbunden waren, und dieses war so eines. Andererseits
wieder hätte er für gute Süßspeisen morden können. Ein Umstand, der in Hinblick
auf seinen Beruf etwas seltsam klang. Und der, Gott sei Dank, auch nicht
allgemein bekannt war. Sonst hätten sich die Auftraggeber sehr viel Geld
ersparen können.
Aber man hatte ihn nicht genommen. Nein, nicht
einfach nicht genommen, sondern vor allem auch nicht gewollt. Aktiv abgelehnt,
und das mit einer vernichtenden Konsequenz. Die Behandlung, die ihm in diesem
Zusammenhang widerfahren war, grenzte schon an Diskriminierung.
Das musste ihm jemand erklären, warum ihm Sir Peter Millfish,
also bei dem war es sicher das Geld gewesen, oder dieser Werner Bachfinger
vorgezogen wurden? Nur weil der Journalistenschnösel im Fachmagazin ›Prison
International‹ eine ständige Kolumne ›Die besten Gefängnisküchen in der EU‹
hatte und glaubte, deswegen etwas von Schneenockerln zu verstehen?
Gut, er war für die Vergabe der in diesem bislang etwas
vernachlässigten Gastronomiesegment so begehrten Goldenen Häf’ verantwortlich.
Ein Häf’, und man gehörte zur Premium League der Gefängnisküchen, drei Häf’,
und man war auch im Gefängnis im kulinarischen Himmel. Diese Auszeichnung war
überhaupt erst zwei Mal vergeben worden. Zuletzt vor zwei Jahren an Jean Pierre
Knickerli vom Zentralgefängnis im schweizerischen Rupperswohl wegen seiner
unnachahmlichen Variationen an Wasser und Brot.
Übrigens, die Küche des Gefangenenhauses in Stein
an der Donau durfte bereits seit drei Jahren zwei Häf’ führen und war damit mit
Abstand die beste Gefängnisküche des Landes. Das könnte sich aber noch heuer
ändern, da es der Strafanstalt im Grauen Haus in Wien nach bisher unbestätigten
Meldungen gelungen sein soll, einen Zwei-Hauben-Koch für drei Jahre zur
Mitarbeit gewinnen zu können. Wegen Bandenbildung und Raub. Vorzeitige
Entlassung wegen guter Führung konnte natürlich nicht ausgeschlossen, würde
aber tunlichst verhindert werden.
Aber was dieser penetrante Mario Palinski in der Jury tat,
war wirklich nicht einzusehen. Der präpotente Kerl hatte sich den Job selbst
zugeteilt, obwohl ihm jede fachliche Voraussetzung dafür fehlte.
Also gut, was nicht war, war eben nicht. Aber eines stand für
den Commendatore unverrückbar fest. Nicht in die Jury berufen worden zu sein,
war eine Sache. Aber den Saal hier heute Abend, ohne mindestens eine Portion
Schneenockerln gekostet zu haben, zu verlassen, eine andere. Das kam für ihn
nicht infrage.
Pahl-Giacometti wollte endlich auch einmal wissen, wie diese
berückend klingende Süßspeise schmeckte.
Das war in seinem Alter doch wirklich nicht zu viel verlangt.
*
Während die Ereignisse im ›Semmering Grand‹
langsam, aber unausweichlich einem ersten Höhepunkt zustrebten und immer mehr
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