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Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Titel: Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Wittekindt
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seiner Seite! Der Kommissar redet oft von Ohayons »sechs Augen und Ohren«. Als wäre der ein besonderes Tier! Conrey weiß, dass er sich auf seine Instinkte verlassen kann. Auch ohne sechs Augen und Ohren.
    »Was meinst du, Roland? Heimann macht erst mal nicht den Eindruck von jemandem, der einem Mädchen den Schädel einschlägt.«
    »Den Eindruck will er ja auch nicht machen.«
    »Er bewegt sich langsam. Ist schon so steif wie einer Mitte sechzig. Kopfmensch.«
    »Du kannst dir nicht vorstellen, dass er es schafft, einer Sechzehnjährigen den Schädel einzuschlagen.«
    »Ich meine, ich würde jedem alles zutrauen. Warum soll ein gebildeter Mensch nicht pervers sein. Wir wissen ja nicht, was Heimann so alles liest. Außer deutscher Klassik. Wir wissen auch nicht, was diese deutschen Klassiker so alles geschrieben haben, ja? Ich habe gehört, es ist etwas Grausames darin, etwas ganz Kaltes. Du verstehst?«
    Der Kommissar bleibt stehen und schaut Conrey mit offener Neugier an. Es ist die Erfrischung durch das Unerwartete, die diesen Blick auslöst. Er glaubte Conrey zu kennen, nach all den Jahren. Und doch zeigt sich hier etwas Neues. Eine Ausprägung des Charakters, die bisher nicht zutage getreten ist.
    »Du verstehst, Roland, du verstehst, was ich meine. Und trotzdem! Einen schweren Gegenstand schwingen und ihn jemandem auf den Kopf schlagen? Glaub ich nicht, dass er das schafft. Passt nicht zu seiner Schlaffheit. Meine Meinung.«
    Sie gehen weiter.
    »Was würde zu ihm passen?«
    »Dass er sie schön gemütlich zu sich nach Hause einlädt,ihr was vorliest und ihr dann was in den Tee tut. So in der Richtung.«
    »Wir müssen erst mal rauskriegen, was damals in Saarbrücken passiert ist.«
    Roland Colberts Handy klingelt. Er sagt ein paar Mal »Ja!« und am Schluss »Danke«.
    »Das war das Krankenhaus. Sie haben dort einen Jungen. Der redet vom Wald und vom Feensee.« Roland Colbert überlegt, trifft eine Entscheidung. »Also gut, Conrey, du hast jetzt drei Aufträge: Erstens, ruf bei den Eltern von diesem Philippe an. Beschreib ihnen den toten Jungen, oder wenn sie ein Fax haben …«
    »Schon klar.«
    »Zweitens: Frag in Saarbrücken nach, wer den Fall bearbeitet hat, in den Heimann verwickelt war. Sprich mit ihm. Drittens: Sag Grenier, sie soll herkommen und Heimanns Wagen untersuchen.«
    »Und du? Krankenhaus?«
    »Ich frag mich, wie viele da eigentlich am Feensee waren.«
    »Denk dran, Grenier will um fünf mit dir reden. Du weißt ja, wie sie ist. Ihre erste große Ansprache!«
    »17 Uhr.«

    Auf dem Rückweg zum Kommissariat denkt Conrey wieder an Ohayon. Da ist ein komischer Gedanke in seinem Kopf. Als Grenier in der Kantine sagte, dass der Wagen, dessen Spur sie am Parkplatz ausgemessen hat, sehr groß ist, da hatte Conrey sofort an Ohayons Amischlitten gedacht. Ohayon sieht genauso aus, wie man sich jemanden vorstellt, der Mädchen totschlägt. Blödsinn! Ohayon hatte ja Dienst. Er hatte vermutlich seinen fetten Arsch zwischen den Armlehnen seines Stuhls eingequetscht und geschlafen. Resnais ist ja auch da gewesen. Oder war der die ganze Zeit in der Telefonzentrale? Conrey schüttelt den Kopf. Er weiß, dass seine Gedanken schwachsinnig sind. Jetzt bild dir mal nichts ein! Im Grunde macht Ohayon seinen Job nicht anders als du!
    Conrey betritt den Glasvorbau des Kommissariats. Er geht an dem Gummibaum vorbei, ohne ihn weiter zu beachten.

    Sergeant Ohayon trinkt Cognac. Dabei betrachtet er das Muster der Tischdecke und entwickelt etwas Freude. Die sich kreuzenden Linien auf den orangefarbenen und gelben Flächen erinnern ihn an seine Mutter. Ganz passend, dass er gerade jetzt an seine Mutter denkt, schließlich war er auf dem Weg zu Genevièves Mutter, als er plötzlich eine Pause brauchte. Natürlich sind solche Pausen im Dienstplan nicht vorgesehen. Alkohol auch nicht. Aber Ohayon genießt eine Sonderstellung im Kommissariat von Fleurville. Der Idiot! Er hat Glück, einen Chef wie Roland Colbert zu haben. Es sind bestimmte Fähigkeiten, die der Kommissar an ihm schätzt. Sechs Ohren und sechs Augen! Wenn es um Schwingungen geht, um das Unsichtbare, dann zählt Ohayons Meinung. Ich bin aber keine Frau! Ohayon bestellt noch einen Cognac. Er ist keine Frau, nein, und Grenier ist kein Mann. Und natürlich hat man mal wieder ihn losgeschickt. Zur Mutter von Geneviève. Ihr die Nachricht zu überbringen und ein paar Fragen wegen Genevièves Freunden zu stellen. Conrey, natürlich! Conrey ist mit bei Walter

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