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Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Titel: Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Wittekindt
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nicht.«
    »Wenn jemand einen Patienten einliefert, dann müssen doch die Personalien festgestellt werden.«
    »Dann müssten die Personalien festgestellt werden. Richtig. Wir tun das normalerweise auch. Es sei denn, es handelt sich um den König.«
    »Warum diese Ausnahme?«
    »Weil es besser so ist. Für die Patienten, vorwiegend Patientinnen, die wir über den König bekommen, ist es besser so. Die Patienten, die er uns zuführt, sind in der Regel minderjährig. Anonymität. Das ist eine Abmachung zwischen ihm und dem Krankenhaus. Oder genauer: zwischen ihm und mir. Mein Vorgänger hätte das sicher anders gehandhabt. Bei ihm wären solche Deals nicht möglich gewesen.Was ich für Sie tun kann … Ich kann Ihnen den König beschreiben. Er ist extrem dick, sieht auch extrem aus. Wie ein fett gewordener, gealterter Rocker. Motorradrocker. Das ist natürlich nur eine persönliche Einschätzung.« Professor Galinski bringt den Kaffee. »Aber ob er nun ein Motorradrocker ist oder nicht – er ermutigt Patienten herzukommen, die sonst nicht oder zu spät kämen. Mädchen und Jungen mit Geschlechtskrankheiten, schwangere Mädchen, die abtreiben wollen. Ich habe die jungen Leute natürlich gefragt, wer der König ist, aber sie sagen nichts. Ich dachte anfangs, er wäre Sozialarbeiter, aber der Sozialarbeiter von Fleurville ist ein mäßig interessierter, dürrer Beamter. Die Jugendlichen, die uns der König bringt, sind wirklich in Not. Ich sage das, damit Sie verstehen …«
    »Wir ermitteln in einem Mordfall.«
    »Natürlich. Und deshalb würde ich Ihnen am Ende wahrscheinlich auch sagen, wer er ist. Aber ich weiß es nicht. Als Kommissar werden Sie das vielleicht verstehen. Mein Zögern.«
    »Nicht ganz.«
    »Macht ihr nicht auch Deals mit kleinen Kriminellen, um an die Großen ranzukommen?«
    Professor Galinski redet weiter, und Roland Colbert erfährt etwas über den Zusammenhang zwischen Armut, Bildung und Krankheit. Dass im Haus Zur Heiligen Mutter Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, ist ein Widerspruch, der größer kaum sein kann. Der erste Reflex, zu vermuten, dass hier etwas nicht stimmt, löst sich auf, und Roland Colberts vorgefasste Abneigung gegen Professor Galinski verwandelt sich. Zunächst in Interesse, schließlich in Sympathie.
    »Ich glaube, ich verstehe, was Sie vorhin meinten.«
    »Was?«
    »Dass unsere Berufe gewisse Gemeinsamkeiten haben.«
    »Wir haben immer zwei Möglichkeiten. Entweder wir halten uns an die Vorschriften und gehen Schritt für Schritt nach Plan vor … oder … wir erweitern das System und überlegen,worauf es uns wirklich ankommt. Das heißt, wenn Sie wüssten, wer der König ist, wenn Sie wüssten, dass er junge Frauen hierher bringt, damit wir ihnen helfen … Dann könnten Sie sagen: Das geht nicht, der Mann darf das nicht tun.«
    »Das könnte ich.«
    »Sie könnten mir natürlich auch vertrauen und sich sagen: Wenn Galinski meint, es ist gut so für die Patienten, dann ist es wohl so.«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Vertrauen Sie mir?«
    Roland Colbert überlegt. Es geht dabei weniger um die Frage des Vertrauens, als darum, ob er sein Versprechen später auch einhalten kann.
    »Ja, ich vertraue Ihnen. Wenn Sie als Arzt sagen, der König hilft diesen jungen Frauen …«
    »Mädchen! Vierzehn- bis sechzehnjährige Mädchen.«
    »Ich hab Sie schon verstanden, also … Wenn er nicht direkt in den Fall verwickelt ist, bleibt Ihr Arrangement unangetastet.«
    »Gut. Der Pförtner erwähnte, dass der König sehr besondere Autos fährt. Oldtimer. Große Autos.«
    »Verschiedene?«
    »Wie?«
    »Er kommt mit verschiedenen Oldtimern? Nicht immer mit demselben?«
    »Nein, er scheint mehrere davon zu haben.«
    »Danke.«

    Armut, Krankheit, Tod. Es gibt selbstverständlich noch eine andere Wirklichkeit in Fleurville. Eine, die so leuchtet, dass sie alles Dunkel überstrahlt und bannt. Nur vier Minuten trennen die eine von der anderen Welt, denn es sind nur dreihundert Meter vom Kloster zur Fußgängerzone.
    Mord? Schneekatastrophe? Da muss schon mehr passieren, um die Geschäftsleute von Fleurville davon abzubringen,ihren Kunden zu zeigen, dass es einen Sinn, ein Wollen und eine Kraft gibt, die alles in der Welt zusammenhält. Und wie immer ist Luis Barye der Erste. Man könnte auch sagen, der Anführer.
    Es geht um ein Ritual, das auch Mord und Krankheit nicht außer Kraft setzen. Und wie jedes Jahr geht Luis Barye sehr dezent zu Werke dabei. Bescheidenheit. Dieses Wort

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