Schneespuren gibt es nicht (German Edition)
verriegelt. Berti öffnete sie und trat nach draußen. Die weiße Pracht war unberührt. Hier war nichts und niemand gegangen, marschiert oder herumgeklettert. „Keine Schneespuren! Es gibt hier draußen definitiv keine Schneespuren!“ „Was bedeutet das?“ „Entweder hat unser lieber Herr Schepperlin den Täter selbst ins Zimmer gelassen, oder der Täter ist gewaltsam eingedrungen, oder aber er ist in Besitz einer Schlüsselkarte und war schon im Zimmer, als der alte Herr zurückkam.“ „Gut kombiniert!“ „Was ist mit der Schlüsselkarte von Zimmer Nr. 3?“ „Die Karte liegt hier vorn bei der Tür. Wir haben mit der Reservekarte aufgesperrt.“ „Und gestern?“ Ostmann überlegte. „Warten Sie mal. Da gab es einen kleinen Vorfall. Der Portier kontaktierte mich. Herr Schepperlin sprach ihn an und bat darum, das Zimmer aufzuschließen, weil er seine Karte vergessen hatte.“ „Haben Sie das Zimmer geöffnet? Und falls ja, wann denn genau?“ „Ich habe aufgeschlossen.“ Denkfalten bildeten sich an Ostmanns Stirn. Er kratzte sich leicht verlegen am Hinterkopf. „Das war so ... ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Das war vor dem Abendessen. Herr Schepperlin hatte sich aus der Hotelbibliothek ein Buch über Schachspielen ausgeliehen. Er hielt es in der Hand, als er dem Portier mitteilte, dass er versehentlich seine Schlüsselkarte im Zimmer zurückgelassen hatte.“ „Das fällt Ihnen erst jetzt ein?“ „Da lebte er ja noch!“, wehrte sich Ostmann. „Allerdings ...“ „Ist Ihnen noch etwas eingefallen?“ „Er hat zu mir gesagt, dass er sich eigentlich ganz sicher war, die Schlüsselkarte mit in die Bibliothek genommen zu haben. Komisch. Herr Schepperlin war alles andere als ein verwirrter Mann.“ „Danke, das war es fürs Erste.“ „Sie denken doch nicht, dass ich ...?“ „Möglicherweise haben Sie das Opfer als letzte Person lebend gesehen. Die Polizei wird sicherlich hierzu noch ein paar Fragen haben.“ „Sie nicht?“ „Später!“ „Ich bin doch kein ...!“ „Momentan sind alle Hotelgäste gleichermaßen verdächtig.“ „Ich muss schon bitten“, baute sich Professor Dr. Heberlein auf. „Als Detektiv muss ich mich an die Fakten halten. Die Alibis werde ich später überprüfen!“ Berti war in seinem Element. Wie oft hatte sich in solche Situationen versetzt? Seine Fernsehsprüche waren einstudiert und er konnte sie nach Bedarf abschießen. „Wir sollten uns um die Leiche kümmern.“ „Sollen wir ihn in ein Laken wickeln?“ „Gute Idee!“ Ostmann holte das Bettlaken. Er legte es im Bad neben die Leiche. Berti und Prof. Dr. Heberlein packten den Toten jeweils links und rechts am Arm und rollten ihn auf das Laken. Es wurde um den leblosen Körper gewickelt, bis er aussah wie eine Mumie. „Bei drei heben wir ihn hoch!“ „Gut!“ „Eins, zwei, drei!“ Der alte Mann wog nicht allzu viel. Die Totenstarre war komplett ausgeprägt. „Wahnsinn, wie es so etwas gibt!“, stöhnte der Detektiv. „Die Totenstarre?“ „Ja.“ „Ganz einfach. Die rigor mortis gilt als sicheres Totenzeichen, da sie post mortem auftritt. Verursacht wird die Starre durch die Bindung von Myosin an den Aktinfasern. Nach dem Einsetzen des Todes wird ATP aus ADP nicht mehr regeneriert. Die Ionenpumpen, die innerhalb der Muskelzellen die Calciumionen im Cytoplasma gering halten, stellen ihre Tätigkeit ein. Nach dem Tod diffundieren Calciumionen aus dem Sarkoplasmatischen Retikulum in das Cytoplasma, was selbstverständlich zur Bindung des Myosins an die Aktinfilamente führt, da die Calciumionen die isolierende Wirkung des Troponins aufheben. Die Bindung wird wegen der Abwesenheit von ATP nicht mehr aufgehoben, was nur eine logische Folge hat, nämlich die eintretende Starre des Muskels.“ Berti hatte kein Wort verstanden. Mit offenem Mund gaffte er den Mediziner an. „Klar! So etwas habe ich mir schon gedacht.“ „Lassen Sie uns den Pharao hinunterbringen.“ „Ich finde die Situation überhaupt nicht lustig. Wie kann man da nur scherzen?“, entfuhr es Ostmann. Berti riss sich zusammen. Er fand die Bemerkung des Arztes urkomisch. Heberlein war eigentlich ein ganz witziger Mensch. „Gehen Sie doch einmal vor. Sehen Sie nach, ob die Luft rein ist.“ Ostmann ging zur Tür. Der Hotelbesitzer lugte auf den Flur. „Sie können kommen!“, flüsterte er. Berti und Heberlein wackelten mit ihrem Pharao aus dem Badezimmer, wobei sie aufgrund von Bertis Körpermasse hintereinander durch die
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