Schneespuren gibt es nicht (German Edition)
den Fall der Fälle konnte er nicht stiefmütterlich behandeln. Also kniete er sich neben dem toten Herrn Schepperlin und folgte mit den Augen dem Finger des Arztes. Verfärbungen waren an der faltigen Haut erkennbar. Ein blauvioletter Ring schimmerte unter der eng anliegenden Krawatte hervor. Deutliche Würgemale. „Er muss vorm Spiegel gestanden und sich gerade die Krawatte gebunden haben, als der Täter von hinten an ihn herantrat“, mutmaßte der Arzt „Woher wissen Sie das?“ „Ich vermutete es nur, da die Krawatte das Tatwerkzeug ist.“ Berti tat so, als wäre das auch seine Schlussfolgerung. „Ich gehe vom gleichen modus operandi aus“, fachsimpelte er. „Schepperlin muss sich noch gewehrt haben. Er hat an den Knöcheln seiner rechten Hand Blutergüsse. Ich schätze, er hat nach dem Täter geschlagen.“ „Ein Täter. Vermutlich ein Mann!“, notierte sich Berti. „Vielleicht verletzt!“ „Er war zumindest so kräftig, dass er den toten Herrn Schepperlin langsam zu Boden gelassen hat. Es gibt keine Verletzungen, die auf ein Hinfallen oder einen Schlag hinweisen.“ „Vielen Dank, Herr Professor.“ „Bitteschön. Das ist doch das Mindeste, was ich in dieser Ausnahmesituation machen kann. Es ist schrecklich genug zu wissen, dass unter uns ein Mörder ist.“ „Sehr schrecklich sogar!“ „Ach, was ich Sie noch fragen wollte.“ „Nur zu.“ „Was machen wir mit dem Leichnam? Wenn er hier liegen bleibt, wird er wohl bald anfangen, naja, zu verwesen und damit ...“ Ostmanns Stimme war zu hören. „Auf gar keinen Fall! Wir müssen ihn von hier wegbringen!“ „Wohin?“, fragte Berti. „Am besten wäre ein Kühlraum“, schlug Heberlein vor. „In die Küche?“ „Zu unserem Essen?“ Beide starrten den Arzt an. Dieser zuckte nur mit den Achseln. „Wir könnten ihn auch auf den Balkon legen.“ Kopfschütteln. „Das würde den Ruf meines Hauses nur noch mehr schädigen.“ „Ausnahmesituation!“, hob Berti den rechten Zeigefinger. „Hier wird nichts und niemand geschädigt, solange wir die Sache im Griff haben!“ „Also dann doch lieber in den Kühlraum. Wir müssen eben Platz schaffen und ihn von den Lebensmitteln getrennt aufbahren.“ „Warum? Haben Sie Angst, dass er ihre Vorräte vertilgt?“, scherzte der Arzt. „Blödsinn! Es geht hier um Pietät.“ Ostmann schien leicht aufgebracht zu sein. Berti wollte beruhigen. „Ich glaube auch, dass es den Schweineschnitzeln egal ist, ob ein toter Mensch neben ihnen ruht, oder ein Rinderbraten.“ „Also gut! Dann lassen wir ihn in den Kühlraum der Küche bringen. Allerdings ist es dann mit der Geheimniskrämerei vorbei.“ „Wenn wir ihn selbst in die Küche bringen, bekommt keiner etwas mit“, schlug der Professor vor. Der Hotelbesitzer grübelte kurz. „Über die Angestellten-Treppe kommen wir ungesehen runter, aber im Kühlraum fällt er auf.“ „Wenn wir ihn auf zwei oder drei Serviertische legen und zudecken?“, meinte Berti. „Und der Koch?“ „Dem sagen Sie, dass er die Finger davon lassen soll!“ „Es ist zumindest einen Versuch wert“, stimmte Heberlein dem Detektiv zu. „Also gut!“ „Die Leiche ist starr und noch relativ frisch. Keiner braucht Berührungsängste haben“, beruhigte der Arzt. „Ich gehe voraus, Sie beide tragen Herrn Schepperlin“, bestimmte Ostmann. „Und wenn doch jemand von den Gästen etwas mitbekommt?“ „Macht nichts. Ich schätze, dass unser Detektiv sowieso eine Ansprache vor allen Hotelgästen und den Angestellten hält!“ Berti erschrak. „Ich?“ „Natürlich Sie! Sie leiten doch die Ermittlungen.“ „Ich meine, ich hatte es ohnehin vor. Ich muss mir nur noch überlegen, welche Taktik ich anwende“, redete er sich heraus. „Dann denken Sie schneller, bevor der Tote noch zu riechen beginnt.“ „Ich werde mich erst einmal im Zimmer umsehen.“ Man musste kein Detektiv sein, um zu erkennen, dass das Zimmer durchsucht worden war. Jemand hatte sämtliche Schubladen durchwühlt. Die meisten standen noch offen. Die leere Brieftasche des Opfers lag auf dem Bett. Außer Bargeld fehlte jedoch nichts. Zumindest scheinbar. Berti ging im Raum herum. Der Detektiv schoss mit seiner kleinen Digitalkamera ein Foto nach dem anderen. Immer wieder machte er Notizen. Dabei stieß er ein: „Ah ja“, oder ein „Ohh“, aber auch ein: „Das habe ich mir gedacht!“, aus. Er ließ seine beiden Durchsuchungszeugen im Ungewissen. Schließlich ging er zur Balkontür. Sie war von innen
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