Schneespuren gibt es nicht (German Edition)
um den Wohnzimmertisch, ließ Berti los. „Was haben wir gewonnen?“ „Weißt du noch? Das große Kreuzworträtsel?“ „Die letzte Briefmarke?“ „Wie könnte ich diesen Tag vergessen?“ „Tschuldigung!“ „Also, was haben wir gewonnen?“ Konny las den Brief ein zweites Mal. Diesmal genauer. „Ich habe das Wochenende für zwei Personen in einem luxuriösen Ski Hotel im Wert von 5.000 Euro gewonnen.“ „Kann man …“ „Der Gewinn ist nicht in Bargeld eintauschbar. Wenn Sie den Gewinn annehmen, melden Sie sich bitte binnen drei Tagen nach Zustellung im Notariat Dr. Gregor Bayerlein.“ „Schade, das Geld wäre mir lieber gewesen.“ „Sieh es doch praktisch, Dickerchen.“ Bevor Berti wieder gegen seinen Kosenamen protestieren konnte, redete Konny weiter. „Erstes können wir beiden endlich einmal eine tolle Urlaubsreise machen, zweitens gastieren wir in einem Luxushotel. Das bedeutet, dass wir auf lauter potentielle Klienten treffen!“ „Mensch Konny, so habe ich das noch gar nicht betrachtet.“ „Ich rufe gleich mal an!“ Konny schnappte sich das Telefon und wählte die Rufnummer des Notariats. Es läutete. „Notariat Dr. Gregor Bayerlein. Sie sprechen mit Frau Eberhartinger, was kann ich für Sie tun?“, meldete sich eine Notariatsangestellte. „Mein Name ist Wels. Ich habe Post von Ihnen bekommen. Das Preisausschreiben.“ „Welches?“ „Das Ski Hotel!“ „Einen Moment bitte.“ Konny befand sich seit etwa zwei Minuten in der Warteschleife, als sich ein Mann meldete. „Bayerlein.“ Wieder stellte sich der Schriftsteller vor. Der Notar beglückwünschte dem Gewinner, notierte sich ein paar Daten und meinte abschließend, „… dann steht einem Luxuswochenende nichts mehr im Weg. Die Hotelsuite ist reserviert, das Reisedatum bekannt, die Bahntickets kommen mit der Post. Ihre Begleitperson heißt Herbert Schmadtke!“ „Richtig!“
Hausgemeinschaft
Das Mehrparteienhaus, in dem Berti und Konny eingezogen waren, lag in einer ruhigen Seitenstraße. Der Altbau wurde während der vorletzten Jahrhundertwende errichtet. Zwischenzeitlich war das Gebäude kernsaniert. Mauerwerkwände, Holzbalkendecke und Kastenfenster, strahlten in neuem Glanz. Das Haus war ein Prachtstück. Spaziergängr blieben hin und wieder stehen und bewunderten die Architektur. Neulich saß sogar ein Kunststudent vor dem Anwesen und zeichnete es. Parken musste man zwar auf der Straße, doch dafür besaß das Haus einen schönen Garten, den die Mieter nutzen konnten.
Schmadkte und Wels war auf einem Schild an ihrer Wohnungstür im zweiten Stock zu lesen. Es war eine sehr geräumige Zwei-Zimmer-Wohnung mit schönem Balkon. Ihr direkter Nachbar, ein geschiedener Staubsaugervertreter, hatte drei Zimmer. Am Wochenende waren oft dessen beiden Kinder zu Besuch. Im Stockwerk über ihnen wohnten die Kapaunkes. Ihnen stand die gesamte Etage zur Verfügung. Herr Kapaunke war ein griesgrämiger Kerl, dem man ungern im Flur begegnete. Er wirkte für seine knappen fünfzig Lenze noch unheimlich fit. Seine Frau war mindestens zehn Jahre jünger und unheimlich nett. Karl-Heinz Kapaunke, der zehnjährige Sohn der beiden, war ein richtiger Sonnenschein. Konny verglich ihn einmal mit Astrid Lindgrens Michl aus Lönneberga, und traf damit genau ins Schwarze. Seine kleine Schwester, Gudrun, ging noch in den Kindergarten. Im Stockwerk unter ihnen lebte ein junges Ossi-Paar, sowie eine türkische Familie. Hasan Özdemir führte zwei Straßen weiter einen kleinen Gemüseladen. Konny und Berti waren bei Hasan Stammkunden geworden. Das Erdgeschoß war an die betagte Frau Münz vermietet. Sie war schon weit über 80 Jahre alt, verwitwet und immer freundlich. Die kleinere Wohnung neben ihr stand leer. Sie wurde vom Sohn der Hausbesitzerin genutzt, wenn er einmal in der Stadt war. Die beiden Freunde fühlten sich hier pudelwohl. Vor fünf Wochen kam Konny einmal vom Einkaufen nach Hause. Vor der Haustür saß Karl-Heinz und weinte. „Was ist denn los?“, erkundigte sich der Schriftsteller. „Ich habe schon wieder ‘nen Fünfer in Deutsch bekommen. Mein Papa wird ganz schön sauer sein.“ „An was liegt es denn?“ „Ich kann mir das ganze Zeug mit der Grammatik einfach nicht merken.“ Konny stellte den Einkaufskorb ab, zückte ein Papiertaschentuch, gab es dem Jungen, und setzte sich neben Karl-Heinz auf die Eingangsstufe. „In welche Klasse gehst du denn?“ „In die Vierte. Dieses Jahr entscheidet sich, in welche Schule ich
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