Schneespuren gibt es nicht (German Edition)
später mal gehen werde“, schniefte Karl-Heinz, putzte sich die Nase, trocknete ein paar Tränen und sah in Konnys Gesicht. „Wie läuft es denn sonst in der Schule?“ „Ganz gut! Eigentlich sogar sehr gut.“ „Dann sieht es doch nicht so schlecht aus.“ „Aber dieses blöde Deutsch.“ Wieder schoss Wasser in die Augen des Jungen. „Ich war in Deutsch ganz gut. Sogar so gut, dass ich Germanistik studiert habe. Ich könnte dir Nachhilfe geben.“ „Ich hatte mal Nachhilfe, aber das ist zu teuer. Mama hat gesagt, dass wir uns das nicht leisten können.“ Konny lachte. „Für einen Nachbarn würde ich das doch umsonst machen.“ Mit dem Hemdsärmel wischte sich der Junge die letzten Tränen aus den Augen. Hoffnung keimte auf. „Wirklich?“ Konnys Satz schien den Horizont zu erhellen. Ein Lichtstreif schoss in den Himmel. „Na klar. Ich schlage vor, dass du erst mal rauf in die Wohnung gehst, mit deiner Mutter sprichst, und danach kommt ihr beide mal auf ‘ne Tasse Tee zu mir runter. Wir besprechen dann alles.“ „Prima!“ Seither nahm Karl-Heinz Kapaunke zweimal die Woche Nachhilfe bei Konny. Lediglich Herr Kapaunke war davon nicht unterrichtet. Seine Frau hielt es für besser, da der alte Miesepeter immer, wie sie es ausdrückte, über die beiden Clowns, die unter ihnen eingezogen sind , lästerte. Ihr war es peinlich. Karl-Heinz saß wieder einmal bei seinem Nachhilfelehrer im Wohnzimmer. Die Schulhefte lagen auf dem Tisch. Konny saß gegenüber und gab Tipps. „Ich bin dann mal schnell weg“, rief Berti den beiden zu. „Bis später.“ „Tschüss.“ Berti verließ die Wohnung. Versehentlich zog er die Tür jedoch nicht ganz ins Schloss, sodass sie einen Spalt offen stand. Frau Kapaunke bereitete in ihrer Küche das Abendessen zu. Die kleine Gudrun spielte. Die Wohnungstür wurde aufgesperrt, jemand kam nach Hause. Zu früh für ihren Mann. „Karl-Heinz, bist du schon fertig?“ „Ich bin es, Liebling. Die angesetzte Besprechung ist ausgefallen. Unser Chef ist krank geworden.“ Frau Kapaunke zuckte zusammen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Ulf schon um diese Uhrzeit nach Hause kam. Sie fühlte sich ertappt. „Wieso soll Karl-Heinz schon fertig sein? Wo ist denn der Junge?“, fragte Ulf Kapauke freundlich mit etwas Neugierde nach. „Bei den Clowns“, stieß die vierjährige Gudrun aus. Sie rollte gerade einen Puppenwagen durch die Wohnung. „Was? Wo ist er?“, entfuhr es Herrn Kapaunke. Die Freundlichkeit war mit einem Schlag verschwunden. „Ulf, jetzt beruhige dich doch mal. Ich wollte es dir schon längst sagen, aber …“ „Was sagen?“, fiel er ihr ins Wort. „Karl-Heinz bekommt von Herrn Wels…“ „Halt! Geh in dein Zimmer, Gudrun.“ Das Mädchen kehrte um. Gelangweilt schob sie den Puppenwagen zurück in ihr kleines Prinzessinnenreich. Ulf Kapaunke schloss die Tür des Kinderzimmers. Mit hochrotem Kopf ging er zurück in die Küche. Seine Frau trocknete sich gerade mit dem Geschirrtuch die Hände ab. „Du lässt unseren Jungen zu diesen Schwuchteln in die Wohnung? Spinnst du? Wer weiß, was sie mit ihm machen! Ich gehe jetzt runter und werde mir die beiden Pfeifen vorknöpfen. Ich trete die Tür ein, und wenn ich sie bei irgendwas erwische, fliegen sie hochkantig aus dem Fenster. Wir beide sprechen uns nachher!“ „Ulf!“ „Halt den Mund!“ Kapaunke verließ die Wohnung. Wütend warf er die Tür ins Schloss. Der Knall hallte durch das Treppenhaus. Als Herr Kapaunke die Treppe nach unten hastete, nahm er zwei Stufen gleichzeitig. Das Namensschild an der Wohnungstür war unauffällig. Silberner Untergrund, schwarze Schrift. Zwei Familiennamen, geschrieben in Druckbuchstaben. Schmadtke und Wels . Kapaunke wollte gerade zum Rammen der Tür ausholen, als er merkte, dass sie offen stand. Er krempelte die Ärmel nach oben und betrat die Wohnung. Der kleine Flur war sehr ordentlich aufgeräumt. Es war sogar penibel sauber. An der Wand hingen Fotos. Berti und Konny beim Spaziergang im Park, beide beim Baden an einem See und ein drittes, das die Freunde beim Feiern zeigte. Sie lachten, strahlten Fröhlichkeit aus. Kapaunke würgte ein kaum hörbares: „ Kranke Schwuchteln !“, aus und ballte seine Hände zu Fäusten. Die Stunde der Wahrheit würde läuten. Es war Zeit, dass jemand hier im Haus aufräumte. Die beiden störten ihn ohnehin. Er hörte die Stimme seines Sohnes. Karl-Heinz las einen Aufsatz vor. „… Papa suchte mich überall. Ich hatte mich verlaufen.
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