Schneespuren gibt es nicht (German Edition)
Blick zur Seite. Auf dem Schoss ihres Kollegen lag ein kleines TomTom. Sie stöhnte. „Also gut!“ Die Fahrt glich einer Schlittenpartie. Die Polizistin empfand es als Erlösung, als sie am Straßenrand einen Mann stehen sah. Es musste sich um den Mitteiler handeln. Sie setzte den Blinker und bog ein. Auf Höhe des Wartenden drückte sie auf den elektrischen Fensterheber. Die Scheibe senkte sich. „Guten Tag. Polizei.“ „Wird ja mal Zeit. Ich bin warte schon länger als ‘ne halbe Stunde! Angeschossen darf man nicht werden, wenn man euch braucht!“ Radtke sah das Taxi. „Sprich du mit ihm. Ich schau mir schon mal das Taxi an.“ Der Förster holte weit aus. Seine Geschichte begann beim letzten Stammtischabend, als sich Eberhard Faltinger sozusagen krank meldete. Geduldig hörte sich Angela Adler alles an. Rudi Radtke versuchte, sämtliche Türen zu öffnen. Anschließend bückte er sich. Er stellte den schwarzen Ölfleck untern Taxi fest, notierte sich das Kennzeichen, wischte Schnee von der Motorhaube und fand ein Einschussloch. Anschließend ging er zurück zum Dienstwagen, holte aus dem Kofferraum ein Radkreuz, ging zurück zum Taxi und schlug die Seitenscheibe der Fahrertür ein. Seine Kollegin und Herr Schüssler schreckten auf. „Rudi! Was machst du da?“ „Ich suche Hinweise!“ „Siehst du Schneespuren?“ „Nein!“ „Entschuldigung!“ „Ja bitte?“ „Schneespuren gibt es nicht. Man hinterlässt im Schnee Spuren, das sind z.B. Schuhabdrücke. Aber es gibt keine Schneespuren. Das musste ich auch schon ihrer Kollegin am Telefon erklären!“ Angela Adler sah den Förster fragend an. Sie wusste in diesem Augenblick, dass er unverheiratet war, in der Schule die Lehrer durch unpassende Sprüche auf die Palme brachte, und vermutlich deshalb Förster wurde, weil er unfähig zu kommunikativer Zusammenarbeit mit anderen Menschen ist. Bäume widersprechen nicht. Auf gut deutsch: Er war ihr unsympathisch, da er ein pedantischer Spießer war. Radtke hatte die Motorhaube geöffnet. „Er hat hier reingeschossen!“ „Warum?“ „Keine Ahnung!“ „Und jetzt?“ „Entweder stand hier ein vorher bereit gestellter Fluchtwagen, oder sie sind zu Fuß weiter!“ „Als ich hier zu den Futterkrippen fuhr, stand da kein anderer Wagen!“ „Zu Fuß? Bei dem Wetter?“, fragte Angela Adler. „Wohin denn? Hier gibt es doch nichts!“ „Entschuldigen Sie, aber das ist ein sehr aufregendes und natürliches Land. Sie finden hier wilde Natur. Weite Waldgebiete laden zu Spaziergängen ein. Man kann in den Felsen und Bergmassiven klettern, durch die Moore und Sümpfe wandern, oder auch Bergwandern, um anschließend in einer bewirtschafteten Alm einzukehren. Hier gibt es nicht nichts!“ „So habe ich das auch nicht gemeint!“ „Was haben Sie da gesagt?“, hakte der Münchner Zivilfahnder nach. „Bergwandern? Sümpfe?“ „Nein! Das mit der Alm!“ „Man kann in eine bewirtschaftete Alm einkehren. Also jetzt sind ohnehin nur die Skihütten geöffnet. Die Wanderalmen haben geschlossen.“ „Wanderalm? Gibt es hier so etwas?“ „Klar! Den Weg rauf ...“, Schüssler deutete zur Gabelung. „Dann gut zwei Stunden Fußweg. Aber die Alm ist um diese Jahreszeit geschlossen. Und bei diesem Wetter dauert es natürlich auch länger.“ Die Polizistin sah ihren Kollegen an. Sie ahnte, was in Rudi Radtkes Kopf vor sich ging. „Nein!“, sagte sie entschlossen. „Das kannst du vergessen! Ich habe weder die richtigen Klamotten an, noch Lust bei ärgstem Schneetreiben ins Gebirge zu gehen!“ „Er sucht ein Versteck!“ „Hinter wem sind Sie her, wenn ich fragen darf?“ „Sie dürfen nicht!“, pulverte Radtke aus. „Sie befinden sich in meinem Revier. Ich werde einen Bericht über die Vorkommnisse erfassen, und glauben Sie mir, Sie...Sie...Sie...“ „Ja?“, provozierte der Münchner Zivilfahnder. „Was soll ich glauben?“ „Rudi, ich mache da nicht mit. Ich setze mich ins Auto, gebe durch, dass wir die Spur verloren haben, und überlasse den Rest dem zuständigen Polizei-Abschnitt“, protestierte die junge Polizeikommissarin. „Wir sind ganz dicht dran! Wir dürfen jetzt nicht aufgeben!“ „Du suchst die Nadel im Heuhaufen. Das Wetter ist gegen uns und ich möchte mich nicht in diesem weißen Irrgarten verlaufen, um nach der Schneeschmelze als moderner Ötzi aufgefunden zu werden.“ Reinhard Schüssler grinste. „Wenn ich wüsste, wen oder was Sie suchen, könnte ich mich behilflich zeigen.“
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