Schneespuren gibt es nicht (German Edition)
nehmen.“ „Von Taxifahrten habe ich momentan die Nase gestrichen voll!“, äußerte Berti. „Warum denn ein Taxi nehmen? Das Hotel ist von hier aus in zwanzig Minuten zu erreichen.“ Schüssler setzte sich ebenfalls an den Tisch. „Das Schneetreiben hat nachgelassen. Sie müssen lediglich dem Pfad folgen.“ „Den sehen wir doch in dieser Winterlandschaft gar nicht“, entgegnete Berti, dem der anstrengende Fußmarsch zu Alm immer noch in den Knochen steckte. „Das ist kein Problem“, winkte Schüssler ab. „An der ganzen Strecke befinden sich Leitpfosten. Der Pfad geht hinter der Alm los. Sie laufen entlang des Waldes, machen einen Bogen und schon sehen Sie die Lichter des Hotels!“ „Klingt einfach!“ „Das ist ein Kinderspiel.“ „Ich weiß nicht“, murmelte Berti. „Nach Garmisch zurück marschieren wir wieder drei Stunden!“ „Überzeugt!“ Der Förster sah auf seine Armbanduhr. „In ungefähr einer Stunde wird es dunkel. Sie sollten aufbrechen.“ Konny stand auf. Er griff nach seiner Jacke. „Die Sachen sind trocken und warm.“ „Dann verabschieden wir uns.“ „Ey Mann, Jungs. War schön euch kennengelernt zu haben.“ „Mach’s gut, Eddie!“ „Eure Fahrt ...“ „... zahlt Ranzinger!“ Eddie zwinkerte mit einem Auge. „Geht klar! Der Hackfresse drücke ich alles aufs Auge!“ „Herr Schüssler, was sollen wir Ihrem Cousin für die Dosen und den Tee bezahlen?“ „Der hat genug Geld. Er soll den ganzen Schaden zusammenschreiben, die Dosen hinzufügen, und von dem Gangsterboss einklagen!“ Wieder stöhnte Ranzinger. Während sich Berti anzog, pfiff er die Melodie von Hey Jude . Ranzinger verdrehte die Augen. „Also, tschüss dann!“ „Mia san in Bayern, und do sogt ma Pfiati oder Servus“, raunzte Radtke, der verzweifelt Schnaps suchte, um seinen Tee etwas zu verfeinern. „Der Rum ist im untersten Fach“, zwinkerte Konny dem Polizisten zu. „Das ist Tradition! Auf der Hütte trinkt man Jägertee. Und ich halte nur die alten Bräuche am Leben!“, wehrte sich der Polizist. „Alles klar! Servus, dann!“ Hoffentlich sehe ich die beiden Komiker nie wieder, dachte sich Radtke, fand den Rum und lächelte. Der Tag war gerettet.
Lagerfeuerromantik
Über ihnen ragten Berggipfel in den Himmel, deren Spitzen in dunkle Wolken stachen und darin verschwanden. Unter ihnen zog sich ein Waldgürtel entlang, dessen Bäume unter den Schneemassen nur erahnt werden konnten. Nur hin und wieder waren die grünen Flecken der Nadelbäume unter der Schneedecke zu erkennen. Überhaupt hatte sich die weiße Pracht wie ein Schleier über das gesamte Land gelegt. Die atemberaubende Schönheit der Natur zeigte sich den beiden Stadtmenschen und lud zum Verweilen ein. In diesem Moment war alles vergessen. Sie kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Mit jedem Schritt drangen sie tiefer in die Wildnis des Bergmassivs ein. Die Almhütte wurde immer kleiner. Die Luft war klar und kalt. Sie setzten die ersten Spuren in die unberührte Winterlandschaft. Leitpfosten zeigten den Weg an. Die oberen Enden der teils armdicken Stöcke, die im Spätherbst in die Erde gerammt worden waren, hoben sich mit ihren schwarzen und roten Anstrichen deutlich vom Schnee ab. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlten Herbert Schmadtke und Konrad Wels die Kraft der Natur.
Berti zog den Trolley. Entgegen allen Befürchtungen fühlte er sich in bester Verfassung. „Das hier entschädigt für die ganzen Strapazen. Ich hätte nie gedacht, dass es hier so schön ist!“ „Ein Wahnsinn. Jetzt kann ich die verrückten Wintersportler verstehen. Die unberührte Natur, einfach unbeschreiblich. Ich fühle mich, als ob ich auf den Spuren von Jack London wandle. Diese Kraft, diese Aussicht, diese Macht und ...“ Berti stutzte ein wenig. Er marschierte hinter Konny. „Was hat ein Kondom-Fabrikant mit der Natur hier zu tun? Der Schriftsteller war entsetzt. „Berti! Du kennst doch London, oder?“ „Klar! Gefühlsecht, sicher...“ „Nein! Das ist ein Autor.“ „Sorry, habe ich noch nie gehört.“ „Das kann nicht sein. Du kennst garantiert Wolfsblut, Ruf der Wildnis oder Der Seewolf !“ „Treffer! Die habe ich im Fernsehen gesehen!“ „Gottseidank, ich dachte schon, du bist ein ...“ „Ein was?“ „Ach nichts.“ „Und dieser London hat das alles geschrieben?“ „Um die letzte Jahrhundertwende.“ „Ich habe viel gelesen, aber Jack London habe ich wohl übersehen. Man kann ja nicht alles wissen. Und was hat dieser
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