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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Worte
herauszubringen.
    »Ich möchte Ihnen sagen, was in der Nacht geschehen ist, in der
Sandra Hahnenkamp ermordet wurde.«

25
    Zehn Minuten später erreichte der Krankenwagen den
Bauernhof. Der Notarzt, ein älterer Mann mit tief zerfurchtem Gesicht und
gütigen Augen, untersuchte Jens und ließ ihn von den Sanitätern auf eine Trage
legen. Dann wandte er sich lächelnd an Frau Burtrup. »Machen Sie sich keine
Sorgen, in ein paar Tagen ist er wie neu. Dann wird er Ihnen vorkommen, als
wäre er gerade erst vom Fließband gelaufen.« Mit einem Gruß stieg er in den
Wagen und fuhr mit Blaulicht davon.
    Nach einigem Durchatmen rang sich die Nachbarschaft dazu durch,
wieder am Herdfeuer Platz zu nehmen, um mit dem Kartoffelbraten fortzufahren.
Alois Lütke-Brüning nahm dazu die Kupferpfannen seiner Vorfahren von der Wand,
die an einem hölzernen Wagenrad hingen. Alle amüsierten sich darüber, dass
diese uralten Dekorationen plötzlich wieder von Nutzen waren, und hielten die
Pfannen über das Herdfeuer.
    Hambrock, der erleichtert zur Kenntnis nahm, dass wieder so etwas
wie Normalität entstand, schnappte sich eine Kerze und führte Christoph Ortmann
in die Küche.
    »Also gut«, sagte er und wartete, bis sich der junge Mann zu ihm an
den Tisch gesetzt hatte. »Was möchten Sie mir erzählen?«
    »Ich habe Ihnen heute Nachmittag nicht ganz die Wahrheit gesagt.«
Christoph Ortmann knetete nervös seine Hände. »Ich kenne Tilmann Feth, ich
kenne ihn sogar gut. Es ist eine lange Geschichte. Wir sind uns mal auf einer
Party begegnet, das war kurz nachdem Sandra mit mir Schluss gemacht hat. Ich
war zunächst gar nicht gut auf ihn zu sprechen, und das ist noch untertrieben.
Wir hatten draußen auf der Straße einen Streit. Oder besser gesagt: eine
Schlägerei. Ich habe ihn übel zugerichtet. Doch das war wie ein reinigendes
Gewitter, danach war die Wut weg, und wir haben gemerkt, dass wir eigentlich
ganz gut miteinander auskommen. Sandra wollte nichts mehr von mir, das hatte
ich verstanden. Es gab keinen Grund, ihren neuen Freund dafür verantwortlich zu
machen. Ich habe ihn ein paar Mal in der Disko besucht, in der er gearbeitet
hat, wenn ich in Münster war. Na ja, und irgendwie ist daraus eine Freundschaft
geworden. Auch wenn sich das komisch anhört.«
    Hambrock verschränkte die Arme. »Und weiter?«
    »An dem Tag, an dem Sandra ermordet wurde, hat Tilmann bei mir
angerufen. Das war am Nachmittag. Er war völlig fertig, Sandra hatte ihn da
gerade vor die Tür gesetzt. Er hatte sie überreden wollen, es noch mal mit ihm
zu versuchen. Er konnte sich nicht damit abfinden, dass es zu Ende war. Ich
glaube, er wollte von mir Dinge hören wie: ›Ach, die kriegt sich schon wieder
ein‹ oder: ›Warte erst mal, bis die sich wieder beruhigt hat.‹ Aber – ich
meine, er hat mit ihrer Mitbewohnerin geschlafen. Was hat er sich denn gedacht?
Danach wäre bei jeder Frau Schluss gewesen. Wie konnte er ernsthaft glauben,
dass Sandra ihm verzeiht?
    Dann hatte er die Idee, Sandras Bus hinterherzufahren und sie in
Birkenkotten an der Haltestelle abzufangen. Er glaubte, er würde sie überzeugen
können, wenn sie allein waren und diese Mitbewohnerin nicht nebenan saß. Ich
habe versucht, ihm das auszureden. Ich habe gesagt, er soll auf eine Party
gehen und sich volllaufen lassen. Am Telefon hat er mir sogar noch zugestimmt,
doch später muss er es sich anders überlegt haben.
    Ich hatte die ganze Sache längst abgehakt, doch dann, während der
Geburtstagsparty von Jens, klingelte mein Handy. Das war Tilmann, und er war
völlig außer sich. Erst habe ich gar nicht verstanden, worum es ging, doch dann
ist mir klar geworden, dass er am Bushäuschen steht und Sandras Leiche im
Straßengraben gefunden hat. Ich wusste sofort, was das bedeutete. Wir zwei
wären verdächtig. Wir hatten ein Motiv, und keiner würde uns glauben – mir
glauben –, dass ich Sandra längst verziehen hatte.
    Ich habe mir Gummistiefel angezogen, um keine Fußabdrücke zu
hinterlassen. Ich wusste ja, dass ich vorsichtig sein musste. Als ich zu Sandra
hinabgestiegen bin, war bereits jede Hilfe zu spät. Sie war tot. Und wir zwei
standen bei der Leiche. Wenn uns jemand gesehen hätte, wäre es wie ein
Geständnis gewesen. Ich habe mir also Tilmann zur Brust genommen. Ihn gefragt,
ob jemand wusste, dass er in Birkenkotten war. Ob er zurück zur Party von
seiner Kollegin gehen könne, ohne dass es jemandem auffallen würde. Wir haben
beschlossen, mit keinem darüber

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