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Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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zu sagen, dass sie ihn am Arsch lecken kann.
    »Das verstehst du nicht«, flüstert sie und fügt in Gedanken hinzu: Aber ich. Ich verstehe ihn nur zu gut. Ich weiß, wie schwer es ist, sich gegen die eigene Mutter zu behaupten. Selbst wenn man im Recht ist. Selbst wenn man …
    Sie bleibt abrupt stehen, als sie ein leises Rascheln hört. Aber das ist wahrscheinlich nur ein Vogel. Oder eine Maus. Sie blickt in den Himmel hinauf, der sternenlos ist heute Nacht. Zu ihrer Linken erhebt sich schwarz die Villa. Obwohl es weit nach Mitternacht sein muss, brennt noch immer Licht im Zimmer von Nora Belting. Aber die Vorhänge sind jetzt zugezogen. Zurück bleibt ein schmaler roter Streifen in der Mitte, der sich im Dunkel der Mauern beinahe wie eine Wunde ausmacht.
    Sie seufzt und wendet sich nach rechts, dorthin, wo die sorgfältig gestutzten Hecken einen irrgartenähnlichen Sichtschutz bilden. Wie in Spanien, hat sie irgendwen sagen hören, vorhin. Aber sie weiß nicht, ob es zutrifft. Immerhin: Marios Vater ist Spanier. Ein Mann schön wie ein Gott, was man so hört. Aber wo ist der Durchgang? Der Weg, der zum Pool führt? Im Dunkeln, denkt sie, sieht alles so anders aus. Abstände. Proportionen. Alles verschwimmt. Dabei wäre es auch so schon schwierig genug, sich in diesem ungeheuren Park zu orientieren. Selbst bei Tag.
    Sie beginnt zu zittern, als ein plötzlicher Windstoß die vielen Blättchen ringsum in Bewegung bringt. Als ob jemand sänge. Ein leises, melancholisches Lied. Und dort, der Widerschein … Das muss er sein, der Pool!
    Sie riecht Chlor und fährt sich flüchtig über die Lippen. Sie hat ein wenig Farbe benutzt, ohne recht zu wissen, ob ihr das steht. Ihr Herz rast. Jetzt wird sie gleich erfahren, weshalb er sie herbestellt hat. Was er von ihr will …
    Du kannst alles von mir haben, Mario Belting, denkt sie ein wenig verlegen, während ihre Augen das Dunkel rund um den Beckenrand nach seinem Schatten absuchen. Seiner athletischen Gestalt.
    Doch er scheint noch nicht da zu sein.
    IN ZWEI STUNDEN AM POOL …
    Hoffentlich ist ihm nichts dazwischengekommen. Immerhin brennt noch Licht im Zimmer seiner Mutter. Wie kann man nur derart unglücklich sein in einem so wunderschönen Haus, mit einem so wunderschönen Mann und zwei gesunden Kindern? Sie stutzt, als sich eine andere Frage in ihre Gedanken drängt. Eine völlig unbedeutende obendrein: Stimmt es, dass Mario niemals gegen Stärkere antritt? Oder auch nur gegen Ebenbürtige? Dass er sich drückt vor der bloßen Möglichkeit, ein Spiel zu verlieren?
    Und wenn schon!
versucht sie, das unerklärliche Unbehagen beiseitezuschieben, das mit dem Gedanken verbunden ist. Niemand verliert gerne.
    Das ist doch völlig normal …
    Ihre Augen suchen wieder das Heckengeflecht. Den Irrgarten. Wenn man nicht wüsste, wo der Ausgang ist, denkt sie, könnte man sich direkt verlaufen. Aber sie ist ja hier, hier am Pool, wo alles hell und schön ist. Hübsch geschwungene Gartenlaternen tauchen das Becken und die umliegenden Terrassenstufen in warmes Licht und lassen die Wasseroberfläche glitzern. Gold dieses Mal, nicht Silber. Gold und Kupfer.
    Wie ein flüssig gewordenes Vermögen, ein unermesslicher Schatz.
    Instinktiv hält sie Ausschau nach dem vielbeschworenen Regenbogen.
    Aber warum kommt er nicht endlich? Was ist los? Hat er sie am Ende doch einfach vergessen? Ihre Blicke wandern zum Haus zurück, das sich hinter all dem Gold nur erahnen lässt. Die Fensterwunde ist von hier ohnehin nicht zu sehen, alles andere ist dunkel.
    Und wenn er nicht kommen
kann?
    Vielleicht wird er aufgehalten. Vielleicht muss er noch etwas holen. Etwas vorbereiten. Wer weiß, was er vorhat. Vielleicht plant er eine Überraschung.
    SAG ’S KEINEM .
    Das habe ich nicht, denkt sie, und zum ersten Mal, seit er ihr den Zettel geschickt hat, kommt ihr die Idee, dass das vielleicht nicht besonders klug gewesen ist. Ein Mädchen sollte immer irgendwem Bescheid sagen, wenn es nachts allein unterwegs ist. Wenigstens einer Freundin. Damit jemand weiß, wo sie ist. Und merkt, wenn sie nicht wiederkommt. Sie tastet nach den Ärmeln ihrer Jacke, die sie sich um die Hüften gebunden hat. Kalt auf einmal. Trotz der aufgestauten Hitze, die die Terrassenplatten ihr unentwegt entgegenatmen. Selbst das Wasser in ihrem Rücken scheint von jetzt auf gleich ein paar Grade kälter geworden zu sein.
    SAG ’S KEINEM …
    Fast wie ein Spiel.
    Ein Kinderspiel.
    Verstecken.
    Sie schaut auf die Uhr. Muss den Arm

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