Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
während Hinnrichs mit provozierend fragender Miene vor seinem Gesicht herumfuchtelte. »Ja«, nickte er schließlich. »Ich verstehe. Und seit wann?«
Die Antwort bekamen die Übrigen nicht mit, wohl aber Verhoevens Reaktion.
»Sicher«, sagte er. »Das ist klar.«
»Also?«, fragte Hinnrichs, nachdem er aufgelegt hatte.
»Das Handy befindet sich gegenwärtig im Raum mit der Nummer 247 .«
»Das ist Kurt Söhnleins Zimmer!«, rief Winnie, und im gleichen Augenblick fiel ihr nun auch wieder ein, woran sie Will Papens herrisches Gebahren erinnert hatte: an ihre Essenslisten und Söhnleins vordergründig freundliche, aber unmissverständlich gebieterische Forderung nach einem Eis zum Nachtisch.
»Was wissen wir über den Mann?«, fragte Verhoeven in diesem Augenblick folgerichtig.
»Söhnlein ist fünfundsiebzig, fit und studierter Wirtschaftswissenschaftler«, antwortete Bredeney, der die Bewohner auf Elisabeth Ferstens Flur überprüft hatte. »Ursprünglich hat er eine eigene Firma besessen, aber die verkaufte er, als er knapp über vierzig war. Nach allem, was man so hört, stand sie kurz vor dem Konkurs. Danach saß Söhnlein fast zwei Jahrzehnte für die Union im Landtag und war in dieser Position natürlich auch an einer ganzen Reihe von maßgeblichen Entscheidungen beteiligt.«
»Lobbyist?«, demonstrierte der Pragmatiker Hinnrichs in seiner unnachahmlich knappen Art, dass er zwischen den Zeilen gelesen hatte.
Bredeney nickte. »Er war allenthalben bekannt dafür, dass er sich in puncto Einflussnahme nicht gerade zurückhielt.«
Das kann ich mir lebhaft vorstellen, dachte Winnie. Der Kerl versucht ja selbst noch den Speiseplan zu beeinflussen.
»Ein paar Abgeordnete haben übrigens mal versucht, ihm ein Verfahren wegen Vorteilsnahme anzuhängen«, fuhr Bredeney fort, »doch der zuständige Staatsanwalt hielt die Beweislage für unzureichend und verzichtete deshalb auf eine Klageerhebung.«
»Sag jetzt nicht, dass dieser Staatsanwalt auch schon wieder Belting gewesen ist«, stöhnte Winnie.
Bredeney verneinte. »Zumindest war es ein anderer Name, der unter dem Vorgang stand, da bin ich mir absolut sicher.« Er überlegte kurz. »Aber Belting könnte natürlich trotzdem beteiligt gewesen sein. Vielleicht war er der Vorgesetzte des Betreffenden. Immerhin war er ein ziemlich hohes Tier.«
»Oh Mann!« Winnie schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Ich bin ja soooo blöd!«
»Wieso?«, schnappte Hinnrichs. »Was ist denn?«
»Nichts, außer dass ich beinahe etwas ziemlich Wichtiges übersehen hätte.«
Der Leiter des KK 11 kniff die Augen zusammen. »Nämlich?«
»Dass bei Pique Dame immer nur der Imperator selbst alleinverantwortlich einen Mordbefehl erteilen kann«, antwortete Winnie. »Alle Übrigen müssen vorab die Zustimmung der anderen Führungsmitglieder einholen. Oder zumindest die des obersten Führers«, fügte sie einschränkend hinzu.
Bredeney verzog sein bereits von Natur tief zerfurchtes Gesicht. »Und das heißt?«
»Das heißt, dass Papen bestenfalls ein Oberer, nicht aber der Imperator selbst sein kann« rief Winnie triumphierend. Und als sie das geballte Unverständnis in den Mienen ihrer Kollegen sah, musste sie unwillkürlich lächeln. »Das Entscheidende sind die Abläufe«, erklärte sie. »Über seinen Kontaktmann im BKA erfährt Papen von der Anfrage nach Jerrys wahrer Identität. Und was tut er daraufhin? Er ruft den Imperator auf dessen Handy an, holt sich das Okay, kontaktiert Zlupay und erteilt ihm den Befehl, Dorothea Zieser zu ermorden, bevor sie das tut, was sie schließlich dann doch getan hat.«
»Papen als einen jener beiden Männer zu identifizieren, die nach Jerrys Verschwinden widerrechtlich dessen Zimmer durchsucht haben«, nickte Verhoeven.
»So ist es.« Winnie beugte sich weit über den Tisch. »Wenn Papen selbst der Imperator wäre, dann hätte es dieser Rückversicherung in Tannengrund nicht bedurft. Und vergessen Sie nicht, dass auch Ackermanns Mörder nach der Tat in Tannengrund waren.«
»Sie meinen, die beiden Männer waren dort, um ihrem Boss über den erfolgreichen Abschluss der Aktion zu berichten?«, fragte Hinnrichs.
Winnie nickte. »Tannengrund, Tannengrund und immer wieder Tannengrund.« Ihr Zeigefinger hämmerte auf die Tischplatte ein. »Dort sitzt der Boss. Und dort ist auch die Schaltzentrale. Nicht auf Papens Weingut.«
»Und was schlagen Sie jetzt vor?«, fragte Hinnrichs, nachdem sich diese neuen Erkenntnisse ein wenig
Weitere Kostenlose Bücher