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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Mädchen.«
    Amelie machte eine abwehrende Handbewegung und wandte sich zum Gehen. Da schien Tobias etwas einzufallen. »Warte mal«, hielt er sie zurück.
    »Ja?«
    »Warum warst du eigentlich auf dem Hof?«
    »Ich hab auf dem Bild in der Zeitung den Mann erkannt, der deine Mutter von der Brücke gestoßen hat«, antwortete Amelie nach einem kurzen Zögern. »Es ist Manfred Wagner. Der Vater von Laura.«
    »Sie schon wieder.« Tobias Sartorius machte keinen Hehl daraus, dass ihm die Polizei nicht sonderlich willkommen war. »Ich habe wenig Zeit. Was gibt es noch?«
    Pia schnupperte. In der Luft hing der Duft von frisch gebrühtem Kaffee.
    »Haben Sie Besuch?«, fragte sie. Bodenstein hatte eben geglaubt, eine zweite Person durch das Küchenfenster gesehen zu haben, eine Frau mit dunklem Haar.
    »Nein, habe ich nicht.« Tobias blieb mit verschränkten Armen in der Haustür stehen. Er bat sie nicht hinein, obwohl es angefangen hatte zu regnen. Auch gut.
    »Sie müssen wie ein Verrückter gearbeitet haben«, stellte Pia fest und lächelte freundlich. »Hier sieht es toll aus.«
    Ihre Freundlichkeit verfehlte ihre Wirkung. Tobias Sartorius blieb abweisend, seine ganze Körperhaltung strahlte Ablehnung aus.
    »Wir wollten Ihnen nur mitteilen, dass man die sterblichen Überreste von Laura Wagner gefunden hat«, sagte Bodenstein nun.
    »Wo?«
    »Das müssten Sie eigentlich besser wissen als wir«, entgegnete Bodenstein kühl. »Immerhin haben Sie die Leiche von Laura doch am Abend des 6. September 1997 im Kofferraum Ihres Autos dorthin transportiert.«
    »Nein, das habe ich nicht.« Tobias runzelte die Stirn, doch seine Stimme blieb ruhig. »Ich habe Laura überhaupt nicht mehr gesehen, nachdem sie weggelaufen ist. Aber das habe ich sicher schon hundertmal gesagt, nicht wahr?«
    »Lauras Skelett wurde bei Bauarbeiten auf dem alten Militärflughafen in Eschborn gefunden«, sagte Pia. »In einem Bodentank.«
    Tobias sah sie an und schluckte. In seinen Augen lag Verständnislosigkeit.
    »Auf dem Flughafen«, sagte er leise zu sich selbst. »Darauf wäre ich nie gekommen.«
    Alles Abweisende war mit einem Mal von ihm abgefallen, er wirkte betroffen, geradezu verstört. Pia machte sich bewusst, dass er elf Jahre Zeit gehabt hatte, sich auf diesen Augenblick der Konfrontation mit seiner Tat vorzubereiten.
    Er musste damit gerechnet haben, dass man die Leichen der Mädchen eines Tages finden würde. Vielleicht hatte er seine Reaktion einstudiert, hatte eingehend darüber nachgedacht, wie er glaubwürdig den Überraschten spielen konnte. Andererseits – wozu sollte er das tun? Er hatte seine Strafe verbüßt, es konnte ihm egal sein, wenn man die Leichen fand. Ihr fiel ein, wie Hasse den Mann charakterisiert hatte: arrogant, überheblich, eiskalt. Stimmte das?
    »Uns würde interessieren, ob Laura schon tot war, als Sie sie in den Tank geworfen haben«, sagte Bodenstein. Pia beobachtete Tobias genau. Er war sehr blass, es zuckte um seinen Mund, als wolle er in Tränen ausbrechen.
    »Darauf kann ich Ihnen keine Antwort geben«, erwiderte er tonlos.
    »Wer dann?«, fragte Pia.
    »Diese Frage beschäftigt mich seit elf Jahren beinahe Tag und Nacht.« Seine Stimme klang mühsam beherrscht. »Es ist mir egal, ob Sie mir das glauben oder nicht. Ich habe mich längst daran gewöhnt, für den Bösen gehalten zu werden.«
    »Ihrer Mutter könnte es jetzt erheblich bessergehen, wenn Sie damals gesagt hätten, was Sie mit dem Mädchen gemacht haben«, bemerkte Bodenstein. Tobias schob die Hände in die Taschen seiner Jeans.
    »Heißt das, dass Sie herausgefunden haben, welches Schwein meine Mutter von der Brücke gestoßen hat?«
    »Nein, das haben wir noch nicht«, räumte Bodenstein ein. »Aber wir gehen mittlerweile davon aus, dass es jemand aus dem Dorf war.«
    Tobias lachte. Ein kurzes Schnauben ohne Heiterkeit.
    »Herzlichen Glückwunsch zu dieser unglaublich scharfsinnigen Erkenntnis«, sagte er spöttisch. »Ich könnte Ihnen ja weiterhelfen, denn ich weiß, wer's gewesen ist. Aber warum sollte ich das tun?«
    »Weil derjenige eine Straftat begangen hat«, erwiderte Bodenstein. »Sie müssen uns sagen, was Sie wissen.«
    »Ich muss einen Scheißdreck.« Tobias Sartorius schüttelte den Kopf. »Vielleicht seid ihr ja besser als eure Kollegen damals. Meiner Mutter, meinem Vater und mir würde es nämlich ebenfalls
erheblich bessergehen,
wenn die Polizei damals ordentlicher gearbeitet und den wirklichen Mörder gefasst hätte.«
    Pia

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