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Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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das Genick gebrochen hat wie einem Huhn, schien wenig plausibel.
    Jetzt gingen sie, die Kommunion zu empfangen. Alle, außer Chassignol, Clotilde Osmond, Aicha und, welche Überraschung, Blanche, die, den Kopf gesenkt, auf ihrer Bank verharrte.
    Andrieu beugte sich über sie, eine Hand auf ihrer Schulter. Flüstern. Keine Reaktion. »Blanche, ich bitte dich!«
    Kurze Drehung des Oberkörpers: »Lass mich!«
    Er ballte die Hände zu Fäusten, bevor er seinerseits zum Altar schritt, zwei rote Flecken auf den Wangen. Belle-Mamie kam mit weit geöffneten Augen zurück.
    »Was ist los, Blanche?«
    Keine Antwort. Mit verkniffener Miene nahm Belle-Mamie wieder Platz. Winnie-die-Pute stolperte neben dem Sarg und konnte sich im letzten Augenblick noch an Paul Labarriere festhalten. Noemie Labarriere weinte lautlos kleine Tränen, die über die braun gebrannten Wangen der gut erhaltenen Fünfzigerin rannen. Hatte sie Elilou gut gekannt? Oder weinte sie aus Mitgefühl mit den Eltern? Aicha drehte sich, die Augen voller Tränen, kurz zu ihm um. Er beugte sich vor und drückte ihr die Schulter und spürte ganz deutlich, dass diese Geste des Trostes an Blanche gerichtet war. Eunice war eingeschlafen, etwas Speichel rann über ihr Kinn. Annabelle, noch zu klein für die Kommunion, versetzte der Bank ihres Vaters kleine Fußtritte, nicht so heftig, um dafür gescholten zu werden.
    Pater Dubois ergriff erneut das Wort, man erhob sich, man faltete die Hände, man fragte sich, ob er zum Schluss käme, ob dieser gequälte, schamlos zur Schau gestellte Körper endlich fortgeschafft und diese Tortur ein Ende finden würde!
    Aicha, die noch immer Eunice im Arm hielt, versuchte, die schmollende Annabelle auf die Füße zu bringen. Eine Ohrfeige von Charles, und sie schoss hoch, feuerrot im Gesicht. LouisMarie bedachte sie mit einem eiskalten Blick, und sie machte sich ganz steif. Blanche war auch aufgestanden und zitterte so heftig, dass er den Eindruck hatte, die Vibrationen im eigenen Körper zu spüren. Andrieu schniefte. Seine Hände umklammerten den Betstuhl so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten.
    Requiem aeternam dona eis Domine. Et lux perpetua luceat eis.
    »Herr, gib ihr ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihr.«
    Dieses Licht, das sie nicht mehr sehen würde. Diese Ruhe, von der sie allzu viel haben würde. Fleischhülle, angefüllt mit aseptischer Flüssigkeit, wirst du Zugang zu den Engeln haben?
    Musik. Orgel, natürlich Mozart. Das unvollendete Requiem. Schluchzen. Noemie Labarriere versteckte sich hinter ihrem bestickten Taschentuch. Winnie-die-Pute rannte keuchend nach draußen. Chassignol warf ihr einen tödlichen Blick nach und vertrieb dabei eine flüchtige Träne. John Osmond war hochrot, Clotilde trocknete sich die Augen. Belle-Mamie hatte, von Schluchzern geschüttelt, den Kopf auf die Schulter ihres Sohns gelegt. Sie wandte sich zu Charles, drückte ihm die Hand, versuchte, Louis-Marie zu umarmen, der sich jedoch frei machte, strich über die Wange von Annabelle, die lauthals zu weinen begann.
    »Gehet hin im Frieden des Herrn .«
    Ite missa est. Es bleibt nur, weiterzuleben.
    Andrieu nahm Blanche beim Arm, zog sie zum Mittelgang. Sie wehrte sich schwach und folgte ihm dann, das Gesicht zu ihrem Kind gewandt, das der ewigen Finsternis preisgegeben war.
    Prozession zum Ausgang, violettes Dämmerlicht, Duft von blühendem Jasmin. Es war windig. Sonnenuntergang über den Bergen. Weißer Kondensstreifen eines hoch fliegenden Flugzeugs. Flüchtige Berührung der Hüfte von Blanche mit der Hüfte von Chib. Aicha brachte die Kleinen zum Haus, langsam gefolgt vom Rest der Gesellschaft. Winnie lehnte am BMW der Chassignols, um wieder zu Atem zu kommen. Sie hatte sich neu geschminkt. Noemie nahm Blanche wortlos in die Arme und zog sie an sich. Resignierte Unbewegtheit von Blanche. Paul Labarriere drückte Andrieu ungeschickt die Schulter. Belle-Mamie klammerte sich an Charles, der wie ein Greis von sechzehn Jahren wirkte. Louis-Marie holte schniefend mit dem Fuß aus und schoss einen Kieselstein meterweit. Chib wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Worte des Trostes schienen so lächerlich. Er fragte sich, wo das andere Kind, der kleine Leon, begraben war. Blanche hatte einen Privatfriedhof erwähnt. Eine Gruft unter der Kapelle? Aber was geht dich das an, Chib, willst du den Kleinen ausbuddeln und sehen, ob man ihn missbraucht hat, bevor er ertränkt wurde?
    »Sie haben eine beachtenswerte Arbeit geleistet,

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