Schneewittchens Tod
beglückwünschte, mit einem höflichen Lächeln. Jemand hatte Musik aufgelegt. Vivaldi. Besänftigend. Neomie Labarriere diskutierte mit Winnie-der-Pute über die unterschiedlichen Vorzüge von Twingo und Smart. Er machte einen Bogen um sie. Remi Chassignol, Paul Labarriere und Andrieu gaben Kommentare zum letzten Sieg von Tiger Woods zum Besten. »Er ist wirklich der einzige Schwarze, der eine Begabung fürs Golfspiel hat«, meinte Adrieu. »Im Allgemeinen sind sie eher Athleten«, stimmte Chassignol zu. »Das ist eine Frage der Morphologie.«
Cool, Chib, beweg deine Morphologie zum Büfett und genehmige dir noch ein Schlückchen Mercurey premier cru. Belle-Mamie plauderte mit Annabelle. Clotilde und Pater Dubois waren noch immer in ein lebhaftes Gespräch verwickelt . Sie kippte einen Muscadet nach dem anderen runter und wurde zusehends rosiger. Der Priester trank Perrier, öffnete und schloss geziert seinen kleinen Mund.
Chib warf einen diskreten Blick auf seine Breguet 1954, die er auf dem Flohmarkt erstanden hatte: 18 Uhr 30, er könnte sich gut aus dem Staub machen, dachte er sich, als Charles und Louis-Marie hereinkamen. Charles griff nach einem Toast mit pürierten Auberginen. Louis-Marie, Walkman-Kopfhörer auf den Ohren, nahm sich ein Glas Limonade.
»Louis-Marie!«, rief der Vater, »was machst du mit dem Ding?«
»Ich höre das Stück von Debussy, das ich bei meiner Klavierprüfung spielen muss«, antwortete der Junge, indem er den Kopfhörer ein wenig lüpfte.
»Nimm das ab!«, gab Andrieu sichtlich unzufrieden zurück.
»Nimm das sofort ab!«
»Aber Papa .«
»Keine Widerrede!«
Louis-Marie wurde blass, nahm den Kopfhörer ab und ließ den Walkman auf den Boden fallen.
»Wie du willst, Papa.«
Sprach's und verschwand.
Chassignol hüstelte, Paul Labarriere bückte sich, um das Ding aufzuheben, und legte es auf den Tisch.
»Die Jugend von heute …«, seufzte er.
Andrieu lächelte gezwungen, doch bevor er etwas antworten konnte, griff Belle-Mamie ein: »Die Kinder machen mir Sorgen, Jean-Hugues … Sie stehen unter Schock, verstehst du? Du solltest Dubois bitten, mit ihnen zu sprechen.«
»Als würden sich Jugendliche heutzutage noch den Priestern anvertrauen!«, brummte Andrieu und leerte sein Glas.
»Dubois kennt sich mit jungen Leuten aus. Denk an die ökumenische Werkstatt, die er ins Leben gerufen hat.«
»Vielleicht könnte Ihnen Cordier jemanden empfehlen«, schlug Labarriere mit gedämpfter Stimme vor. »Letztes Jahr hatte Noemie diese . diese unerklärliche Depression. Er hat sie zu Aymet, dem Neurologen, geschickt, Sie wissen, der immer mit der Fliege im Club erscheint. Ja, und nach wenigen Sitzungen war alles wieder im Lot.«
»Unsinn, die Kinder brauchen keinen Psychiater!«, rief Belle-Mamie.
»Neurologe, nicht Psychiater«, korrigierte Labarriere.
»Das ist dasselbe!«, zischte sie und wandte sich wieder ihrem Sohn zu. »Was die Kinder brauchen, ist moralische Unterstützung.«
»Willst du damit andeuten, dass ich meiner Rolle nicht gerecht werde?«, gab Andrieu zurück, und seine Züge verhärteten sich.
Chassignol nahm Labarriere beim Arm: »Übrigens habe ich dir Winifried noch gar nicht vorgestellt .«
»Charles und Louis-Marie sind völlig hilflos. Sie brauchen dich, Jean-Hugues.«
»Und was soll ich, bitte schön, tun? Ich kann sie schließlich nicht wieder zum Leben erwecken!«
»Ich verbiete dir, blasphemisch zu werden!«
»Du kannst mir verbieten, was du willst; glaubst du, das ändert etwas?« »Du bist es, der einen Psychiater braucht!«
»Maman, ich bitte dich! Das ist jetzt wirklich nicht der Augenblick .«
»Du und vor allen Dingen sie! Sie ist dabei, den Verstand zu verlieren«, fügte sie mit so leiser Stimme hinzu, dass Chib sich vorneigen musste, um es zu verstehen.
»Maman!«
»Es tut mir Leid, aber ich wurde aufgehalten . Ein Infarkt in meinem Wartezimmer, das müssen Sie sich vorstellen! Zum Glück konnte ich .«
Cordier war eingetreten, küsste Belle-Mamie die Hand und wandte sich Andrieu zu: »Wie ist es - hält Blanche durch?«
»Das Einzige, was sie braucht, ist, dass man sie in Ruhe lässt«, knurrte Andrieu, »und ich auch.«
»Ich habe Ihnen etwas mitgebracht.«
Er zog einen kleinen Flakon aus der Tasche, den er Andrieu in die Hand drückte. Der dankte ihm mit einem knappen Kopfnicken, bevor er sich abrupt entfernte.
Belle-Mamie legte ihren Lachs-Toast auf den Teller zurück.
»Ich bekomme einfach nichts herunter!«, gestand
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