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Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Titel: Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lehmacher
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Weinen nicht mehr unterscheiden.
    »Gehen Sie da noch rein?«, fragt mich der Polizeibeamte und kommt, nachdem er Josef durchgelassen hat, an dem Doktor vorbei die Treppe hinauf.
    »Was haben wir denn?«, möchte ich von ihm wissen.
    »Der Vater hat seine Kinder erschossen. Zwei Buben.«
    Die Worte nehmen mir die Luft zum Atmen.
    »Dann bleibe ich hier und warte.«
    Ich schaue mich um, auf dem Hof stehen ein paar Leute wie auch gegenüber vor der Bäckerei auf der anderen Straßenseite. Hilflose Blicke, hasserfüllte Gesten, verzweifelte Stimmen.
    Auf einer halbhohen Betonmauer nicht weit vom Eingang entfernt sitzt eine ältere Frau, den Oberkörper tief nach vorn gebeugt. Ich gehe auf sie zu. »Wie geht es Ihnen? Kann ich Ihnen helfen?«
    Sie murmelt etwas Unverständliches. Hat sie mich überhaupt gehört? Ich frage etwas lauter: »Kann ich Ihnen helfen?«
    Jetzt sieht mich entgeistert an.
    »Na. Wos wolln Se denn no haifa?«, fragt sie mich, dann senkt sie den Kopf wieder.
    Von der Bäckerei gegenüber kommt eine Frau mit einem breiten geröteten Gesicht. Sie trägt einen weißen Kittel. »Es ist so schrecklich«, klagt sie. »Wir haben alle die Schüsse gehört, und dann ist das Auto davongerast.«
    »I wor zerschta drinna …« Weinen erstickt die Stimme der alten Frau.
    »Wie kann man nur seine Kinder umbringen?«, sagt die Frau in dem weißen Kittel, setzt sich neben die alte Nachbarin und legt ihr tröstend den Arm um die Schultern. »Wie kann man denn … Ja, wie geht denn so was überhaupt?«
    Für einen Moment packt mich maßlose Wut.
    Da tritt Josef aus dem Haus. Er ist blass.
    Der Arzt steht auf, nimmt seine Ledertasche und will an mir und den Frauen vorbei zu seinem Auto gehen.
    »Jetzt reicht’s«, sagt er wie zu sich selbst.
    Vielleicht sollte sich der Arzt noch um die alte Frau kümmern , denke ich und spreche ihn an. Doch er steigt wortlos in seinen Wagen.
    »Können Sie vielleicht der älteren Dame helfen?«, versuche ich es noch einmal.
    Nun blickt er mich an. »Heut nicht mehr, junger Mann.« Er holt hörbar Luft und sagt: »Für heute reicht’s dann. Ich kann nicht mehr.« Er zieht die Fahrertür zu und fährt davon.
    »Das war der Dorfarzt«, sagt die Frau in dem weißen Kittel. »Er kennt die Buben von klein auf. Die waren oft bei seinen Söhnen zum Spielen.«
    Ich bewege meinen Fuß verlegen im Kies. Da, zwischen den Kieselsteinen, schaut etwas Rotes heraus. Ich schiebe die Steine beiseite. Ein verkratztes Spielzeugauto, es ist mehr vom blanken Metall als von der Farbe zu sehen, hinten keine Räder mehr. Ein Stück weiter, vor einer Mauer, sehe ich jetzt auch eine Plastikschaufel und ein paar kleine Kindersocken, die nebeneinander dort liegengeblieben sind.
    Die Frau erzählt weiter, dass der Vater der Kinder schon seit einiger Zeit arbeitslos war. Er habe sich im Obergeschoss des Bauernhofs eingemietet, nachdem er alles verloren hatte. Sein Haus und seine Arbeit. »Die Kinder kamen immer mal wieder zu uns in die Bäckerei und wollten sich eine Semmel oder eine Brezel kaufen.« Sie hört gar nicht mehr auf zu erzählen. »Meist hatten sie nicht genug Geld dabei, aber ich hab es nie genau nachgezählt. Ach … wie oft hab ich ihnen noch eine Semmel dazugesteckt.«
    Ein nicht enden wollender Schrei aus einem Nachbarhaus lässt die Bäckersfrau verstummen.
    »Die sollen uns noch einmal einen Arzt schicken. Diese ganzen Leute, mir wird das zu viel«, sagt Josef. »Das schaffen wir nicht, und … was sollen wir denen denn sagen?«
    Er geht zum Rettungswagen und funkt in der offenen Tür. Immer noch hört man die Frau im Nachbarhaus schreien.
    Das Atmen fällt mir immer noch schwer. In den Geruch nach Rindenmulch und Stall mischt sich der Gestank von Teer und etwas Saurem wie Milch, die in der Hitze gekippt ist.
    »So etwas in unserem Ort«, klagt die Bäckersfrau fassungslos.
    Ich konzentriere mich auf den Funk: »Leitstelle von 33/38, bitte schicken Sie uns einen Arzt raus«, wiederholt Josef.
    »Da müsste doch noch der Hausarzt bei euch sein«, höre ich die Stimme aus dem Lautsprecher.
    »Negativ«, sagt Josef. »Der ist schon gegangen.«
    »Gut, wir rufen den Hausarzt noch einmal an.«
    »Nein.« Josef überlegt.
    »Bitte wiederholen«, dröhnt es blechern aus dem Funk.
    »Nein, Moment …«
    »Was liegt denn an?«
    »Moment«, sagt Josef noch einmal. »Ich komme über Draht: Ich rufe Sie an.«
    Dann legt er das Funkgerät an seinen Platz und bittet einen Polizisten, im Haus telefonieren zu

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