Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
einer Party hierhergefahren haben. Offenbar ist es nichts Schlimmes, eben habe ich mitbekommen, dass sie die Notaufnahme schon wieder verlassen hat und auf die Station gebracht wurde.
Die Patientin, eine junge Frau, siebzehn Jahre alt, war am Tag zuvor mit einer Freundin zusammen aus Linz nach Bayern gekommen. Die beiden besuchten übers Wochenende einen früheren Klassenkameraden, der zusammen mit einigen Kumpels eine Party veranstaltete, wohin wir gegen zwanzig Uhr gerufen worden waren: ein gemischtes Publikum, laute Rockmusik, irgendwie psychedelisch, wie man es zurzeit oft hört, Bier und Tanz, und irgendwo sah ich bei unserer Ankunft noch schnell einen Joint verschwinden.
Als wir eintrafen, war die Patientin bereits wieder bei Bewusstsein und erzählte, dass sie schon den ganzen Abend Bauchschmerzen gehabt habe. Plötzlich sei ihr schlecht geworden und schwarz vor Augen, dann sei sie umgekippt. Die Freunde hatten versucht, sie wieder auf die Beine zu stellen, aber sie sei gleich noch ein zweites Mal zusammengebrochen. Da hatten die Freunde den Rettungsdienst gerufen.
Das kommt immer wieder vor: dass Umstehende eine Person, die kurzzeitig zusammenklappt, schnellstmöglich wieder aufrichten. Kopfschüttelnd hatte der Notarzt gemeint, dass man die betroffene Patientin erst einmal im Liegen wieder hätte zu sich kommen lassen sollen.
Noch während des wiederholten Blutdruckmessens besserten sich die Werte der jungen Frau. Der Notarzt aus Fürstenfeldbruck, den die Leitstelle vorsichtshalber mit an den Einsatzort geschickt hatte, legte noch eine Infusionskanüle, wurde dann aber von dort weg gleich zu einem Folgeeinsatz in seinem Gebiet gerufen, sodass wir die junge Frau ohne Arztbegleitung ins Krankenhaus brachten.
Jetzt ist unsere Arbeit getan, auch den Papierkram habe ich erledigt, während meine beiden Kollegen vor dem Krankenhauseingang bei einer Zigarette auf mich warten. – Ich bin inzwischen nicht mehr Zivi, sondern als ehrenamtlicher Rettungsdiensthelfer im Einsatz. Mein Fahrer, Sebastian, ebenfalls ein Ehrenamtler, arbeitet hauptberuflich als Krankenpfleger im Klinikum. Wir waren in der letzten Zeit häufiger zusammen unterwegs, was bei über fünfzig Ehrenamtlern, die sieben Hauptberufler in der Friedberger Wache unterstützen, nur am Wochenende häufiger vorkommt. Mit Sebastian ist der Dienst mehr als angenehm: Er ist meist gut gelaunt, dennoch besonnen und fachlich sehr sicher. Besonders mag ich, dass er sich selbst nicht zu ernst nimmt. »Immer der Nase nach«, ist einer seiner Sprüche. Und dabei funkeln seine Augen fröhlich über der vorstehenden Hakennase.
Und dann haben wir noch Andreas – einen Praktikanten – dabei. Wir nennen ihn »Biberle«, nach seinem Nachnamen Biber. Andreas ist mit seinen neunzehn Jahren weiter als viele andere in seinem Alter, er ist bereits seit zwei Jahren Mitglied in der Wasserwacht, beim Jugendrotkreuz. Ein eher kleiner, gedrungener Kerl, der sich aber flink bewegt, mit Pilzkopffrisur. Bei uns macht er ein Praktikum im Rettungsdienst. »Vielleicht ist das ja etwas für mich, also mal hauptamtlich«, hatte er beim Kennenlernen im »Wohnzimmer« der Wache gesagt.
In dem Moment, in dem ich mich zu Sebastian und Biberle vor den Eingang des Krankenhauses stelle, kommt die Freundin der Patientin, die sie in die Klinik begleitet hat, ebenfalls zur Eingangstür hinaus.
»Hi. Ich bin übrigens die Conny«, sagt sie, während sie sich eine Zigarette anzündet. Ein paar Strahlen der tiefstehenden Sonne fallen auf ihr engelhaftes Haar, wie ein wehender Heiligenschein im Sommerwind – und dazu lässig die Zigarette im Mundwinkel.
Ich schaue sie an, sie lacht.
»Georg«, »Sebastian«, stellen wir uns vor. »Andreas«, setzt Biberle noch dazu.
»Ob wir Alexandra morgen wohl wieder abholen können?«, fragt Conny. »Die Ärzte sagen nicht so recht etwas dazu.«
»Wir können es noch weniger einschätzen. Aber persönlich würde ich vermuten, schon …«, sagt Sebastian und schenkt Conny sein strahlendstes Lächeln.
»Wir müssen nämlich spätestens morgen Mittag zurück. Sind ja auch über vier Stunden Fahrt.«
»Wo kommt ihr genau her?«, frage ich.
»Linz.« Sie zeigt auf einen olivgrün lackierten, rostigen alten Golf mit einem österreichischen Kennzeichen.
»Wo liegt das denn?«, fragt Biberle.
»Irgendwo in Richtung Innsbruck«, höre ich mich sagen, obwohl ich mir gar nicht sicher bin, dass das stimmt. Auch ich lächle zu meinen Worten.
Conny lacht.
Sie
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