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Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Titel: Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lehmacher
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Blutdruck noch einmal mit unserem Gerät.
    »155 zu 95«, lese ich ab.
    Hardy schaut mich erstaunt an.
    »Darf ich mal?«
    »Bitte.«
    Er misst nach.
    »Mh«, macht er, statt eine Antwort zu geben. »Wie kommen Sie denn drauf, dass Sie einen zu hohen Blutdruck haben?«
    Der Patient zuckt mit den Schultern.
    »Auf welcher Seite haben Sie denn gemessen?«
    »Auf der.« Der Patient zeigt auf den linken Arm, an dem auch wir gemessen haben.
    »Sollen wir den Notarzt abbestellen?«, fragt Hardy mit Blick zu mir.
    Ich gehe zum Fenster. »Zu spät. Die sind schon da.«
    »Ist das denn Ihr Blutdruckmessgerät?«, fragt Hardy.
    »Ja«, antwortet Herr Wagner. »Das hat mir meine Tochter geschenkt, es ist ganz neu. Sie hat es bei einem Versandhandel für mich bestellt.«
    »Dürfen wir mal?«
    Hardy legt ihm die Manschette seines eigenen Gerätes noch einmal an, und während sich die Blutdruckmanschette mit einem leisen Zischen langsam füllt, kommt auch schon der Notarzt durch den Flur.
    »235 zu 135«, sagt Hardy.
    »235?«, fragt der Notarzt, der aus Haunstetten angefahren ist und dem ich zuvor noch nie begegnet bin.
    »Ja«, sage ich, »aber nur mit seinem Gerät. Bei uns hatte er 155 zu 95.«
    »Herr Wagner, ich glaube, dass bei Ihnen alles in Ordnung ist, aber Ihr Blutdruckmessgerät ist wohl nicht ganz okay.«
    »Darf ich?«
    Jetzt bekommt Herr Wagner den Blutdruck zum vierten Mal gemessen, mit dem Blutdruckmessgerät aus dem Notarztkoffer.
    »150 zu 100«, sagt der Notarzt.
    »Also im Schnitt 153 zu 97.« Hardy lacht über seinen Scherz. Als Einziger.
    Der Notarzt blickt ihn verärgert an.
    »Also, Herr Wagner, was fehlt Ihnen denn?«, möchte der Notarzt nun vom Patienten wissen. »Warum haben Sie denn Ihren Blutdruck gemessen?«
    »Das Gerät ist neu. Ich hatte früher schon mal Probleme. Deswegen hat meine Tochter«, er deutet auf die junge Frau, die inzwischen mit dem Notarztsanitäter in der Tür steht, »mir das Gerät geschenkt.«
    »Aha. Und sonst …? Fehlt Ihnen nichts?«
    »Nein. Mir geht es eigentlich gut. Aber den Wert fand ich schon sehr beunruhigend.«
    »Herr Wagner, Ihre Tochter sollte das Gerät reklamieren.« Der Notarzt wirft einen Blick zur Tochter hinüber, dann wendet er sich wieder an den alten Mann. »Ihr Blutdruck ist absolut in Ordnung. Das Gerät ist Schrott.«
    Die Tochter des Patienten entschuldigt sich, während im Flur der Wohnung ein Telefon klingelt.
    »Da bin ich aber froh. Ich habe erst vor Kurzem noch gelesen, dass Werte über 200 …«
    »Ja«, unterbricht ihn der Notarzt, »schon gut.«
    »Telefon für Sie, Herr Doktor, da ist ein Herr von der Leitstelle dran«, sagt die Tochter.
    Der Notarztsanitäter übernimmt den Anruf.
    »Ja«, höre ich ihn. »Nein, wir sind eigentlich schon fertig. Ja. Ja, beide. Okay, wir melden uns gleich am Funk.«
    Dann legt er den Hörer auf.
    » VU schwer, zwischen Schmiechen und Prittriching, für beide.«
    Während er seinen Notarztkoffer nimmt, schnappen wir unsere ganze Ausrüstung und verabschieden uns.
    Ein schwerer Verkehrsunfall, keine Zeit mehr für Höflichkeitsfloskeln. Ich höre noch den Patienten hinter mir: »Also dann, entschuldigen Sie bitte noch einmal …« Den Rest verschluckt das Knallen des Koffers am Metallgeländer des Treppenhauses, als Hardy vor mir die Stufen hinunterrennt.
    Für die Anfahrt brauchen wir von der Frankfurter Allee aus etwa fünfzehn Minuten.
    »Sag mal, das kann aber keine gut ausgebaute Straße sein. Höchstens ein Feldweg oder so«, sage ich zu Hardy, der die Straßenkarte schon vor sich ausgebreitet hat.
    »Wir sind unterwegs auf der Anfahrt, aber zwischen Schmiechen und Prittriching gibt es keine direkte Verbindung über die Bundesstraße …«, hören wir jetzt auch den Notarzt am Funk.
    »Ja«, gibt die Leitstellendisponentin zurück, »so weit sind wir auch schon, wir melden uns gleich wieder.«
    »33/04, wir haben mitgehört, wir fahren dann von Süden her weiter Richtung Prittriching an«, gibt Hardy jetzt durch.
    »Korrekt«, bestätigt uns die Disponentin.
    Ich fahre also weiter Richtung Schmiechen.
    Neben mir hantiert Hardy nervös mit seinem Kugelschreiber herum.
    »Was machst du?«, frage ich.
    »Ach, nichts.« Er winkt ab. Aber dann fügt er doch hinzu: »Barbara ist heute Morgen zu einer Freundin nach Schmiechen gefahren. Die wohnt seit einem Jahr dort.«
    Die Leitstelle meldet sich wieder.
    »Neue Ortsangabe für alle Fahrzeuge zum VU bei Schmiechen: Bundesstraße zwischen Schmiechen und

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