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Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Titel: Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lehmacher
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unten noch einmal zaghaft zu.
    Aber sie reagiert nicht.
    Unter medizinischen Aspekten vermutlich nichts Ernstes, und doch ein Drama.
    Draußen am Auto entscheidet Dr. Nadl, dass er den Transport begleitet. »Auch wenn es aus ärztlicher Sicht nicht unbedingt indiziert ist, vielleicht gibt es noch etwas zu besprechen.«
    Ich steige mit ihm ein, der Patient liegt schon auf der Trage. »Gut, dann …«
    Kurz darauf startet Felix den Motor, gerade als er anfährt, meine ich, etwas hätte gegen das Auto geschlagen.
    »Halt!«, rufe ich nach vorn, und Felix bringt das Auto zum Stehen.
    Da klopft es an der Seitentür, ich schiebe sie ein Stück weit auf.
    »Darf ich mit?«, fragt die Frau des Patienten außer Atem. »Ich möchte meinen Mann nicht alleine lassen!« Es klingt bestimmt, aber dennoch ist die Härte aus ihrem Tonfall gewichen.
    »Ja«, sage ich. »Sie können auf dem Beifahrersitz Platz nehmen.«
    »Darf ich … vielleicht einen Moment zu ihm?«
    »Sicher.« Ich nicke, sie steigt ein.
    »Ich komme mit«, sagt sie zu ihrem Mann, »Ich lasse dich nicht alleine.« Und dann beugt sie sich vor und flüstert ihm etwas ins Ohr. »Gut«, sagt sie schließlich und richtet sich dabei wieder auf, und ich begleite sie nach vorn auf den Beifahrersitz.
    Es ist nun schon Dienstag, am frühen Morgen des 16. Dezember. Ich weiß an diesem Tag noch nicht wirklich, dass dies meine letzte Nachtschicht auf dem RTW sein wird, dass ich nach dieser Zeit nur noch NEF fahren werde. Schweigend schaut unser Patient an uns vorbei an die Decke des Patientenraums. Einmal drehe ich mich um und sehe, wie auch die Frau still dasitzt und in die Nacht hinausschaut, wo die Schneeflocken im Licht der Scheinwerfer tanzen.
    Nur noch ein paar Tage, dann ist Weihnachten.

Nur so ein Bauchgefühl
    S chräg einfallendes Spätsommersonnenlicht, das zwischen den Zweigen der Bäume hindurch und weiter durch die Glastore der Fahrzeughalle fällt. Und irgendwo da im Gegenlicht steht auch das NEF . Ich schlendere meinen beiden Kollegen, die gerade zurückgekommen sind, Martin und Max, entgegen. Max fährt laut Dienstplan sowohl Tag- als auch die Nachtschicht als Notarzt. Die beiden sitzen noch im Auto und scheinen keinerlei Notiz von mir zu nehmen.
    »Hallo«, grüße ich die beiden durch das offene Seitenfenster.
    »Moment noch …« Martin hat einige Zettel aufgefächert vor sich liegen, es sieht nach einer ganzen Menge Schreibkram aus.
    »14.2.1953 geboren«, diktiert ihm der Doc. »Das war der in der Brandt-Straße, und von dem Letzten, den wir am Maxplatz hatten, fehlt mir selbst noch das Geburtsdatum.«
    Martin stöhnt, sieht irgendwie müde aus.
    »Wir hatten heute neun. Und alle nach ein Uhr«, erklärt mir Max.
    »Und der Vorname von dem, den wir am Maxplatz hatten?« Martin wühlt hektisch die Papiere durch.
    »Georg.«
    »Ja?«, frage ich.
    »Nein, der Vorname von dem am Maxplatz war Georg.«
    Von Fahrzeugübergabe noch keine Spur, Martin hat einen gestressten Gesichtsausdruck – als würde er gerade seinen Kugelschreiber reanimieren.
    »Brauchst du noch was von mir?«, möchte Max von ihm wissen.
    »Das Gift ist unterschrieben?« Martin schaut nicht einmal hoch. Das Gift: die Opiate.
    Keine Ahnung, warum jeder sie mit Gift bezeichnet. Eigentlich seltsam, wenn der Arzt draußen beim Patienten nach der Box mit den vorschriftsmäßig abgeschlossenen Opiaten fragt, bei denen der Verbrauch jeder Ampulle dokumentiert und mit ärztlicher Unterschrift abgezeichnet werden muss, und dann vor dem Patienten nach dem Gift fragt.
    »Ja, das ist geschrieben. Ich geh dann mal nach oben und ruh mich ein wenig aus.« Auch Max sieht geschafft und müde aus.
    »Gleich!«, sagt Martin nach einer Weile, während er immer noch das Protokoll ausfüllt, das er auf dem Lenkrad vor sich hat. Ein genervter Unterton, der da mitschwingt. Als ob ich ihn drängeln würde. Ich hatte doch gar nichts gefragt, ich warte ja brav, bis er so weit ist.
    Zumindest hatte ich es vor, aber – da pfeift es auch schon wieder: der nächste Einsatz.
    »Ach, ihr könnt mich alle mal!« Martin schnappt sich seine Zettel und steigt aus. »Deiner!«, sagt er und hält mir den Piepser und danach dann auch noch die Schlüssel hin.
    Da kommt auch schon Max zurück zum Auto, während ich am Funk alles entgegennehme und sich das Tor vor mir nach oben schiebt. Ein Patient im akuten Unterzucker irgendwo in Lechhausen.
    »Im Auto passt alles soweit?«, frage ich Martin noch kurz.
    »Ja. Nur im Auffüllfach

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