Schnittmuster
Tisch zu Tisch, ältere Ober in formellen Dinnerjackets servierten Whisky und Cognac. Am Ende des Saales saÃen zwei muskelbepackte Gorillas â in goldenen Anzügen â, die Striker zwar argwöhnisch taxierten, aber keinerlei Anstalten machten einzugreifen.
»Na, kommen dir diese Anzüge bekannt vor?«, zischelte er seiner Kollegin zu.
»Die gleichen Anzüge trugen die zwei Typen in dem Van.«
Er nickte. »Behalt die beiden und die Drachenlady im Auge. Ich seh mich mal ein bisschen um.«
Annie Tings Augen verengten sich angesichts seiner Bemerkung.
»Sie brauchen Durchsuchungsbefehl«, wiederholte die Kellnerin.
Striker ignorierte ihr gebetsmühlenartiges Blabla. Er glitt an den Tischen entlang, woraufhin einige Gäste zu spielen aufhörten und ihn beobachteten, misstrauisch, dass ein weiÃer Typ in ihre chinesische Spielhölle eindrang. Andere blieben ganz entspannt und tätigten weiter ihre Spieleinsätze.
An der hinteren rechten Wand führte eine schmale Treppe nach unten. Striker neigte sich prüfend über das Geländer. Am Fuà der Treppe befand sich eine verschlossene Tür. Er bedeutete Felicia mit Gesten, dass er nach unten wollte.
Die Holzstufen ächzten unter seinem Gewicht. Unten war es dunkel, eine nackte Glühbirne, die von der Decke baumelte, hatte wohl schon länger den Geist aufgegeben. Er kniff die Lider zusammen, um das auf der Tür angebrachte Hinweisschild entziffern zu können.
ZUTRITT VERBOTEN.
So einfach war das â aber nicht für einen gewissenhaften Cop vom Vancouver Police Department.
Er öffnete die Tür, betrat ein lang gestrecktes Zimmer, in dem eine grelle Neonröhre brannte. Vermutlich war es früher als Büro oder Besprechungsraum genutzt worden. Schwer zu sagen, da der Raum wohl gerade renoviert wurde. Die Teppichfliesen waren herausgerissen, die Wände neu verputzt und mit grauer Grundierung überstrichen worden. Striker fühlte mit der Hand über eine der Wände und ertastete mehrere unebene Stellen, die nicht ordentlich verputzt waren.
Ein verdammt schnell hingehuddelter Job. Dafür musste es Gründe geben, bloà welche?
Er inspizierte Wände und Boden, entdeckte jedoch nichts Auffälliges. Sein Blick wanderte über die Decke. Er schaute sich die Verschalung genauer an. Dunkle, schwarz gemaserte Holzdielen. In Höhe der Tür entdeckte er ein kleines Loch. Auf den ersten Blick sah es so aus, als wäre es eine Besonderheit des Holzes, aber dafür war das Loch wiederum zu groà und zu sehr angeschrägt.
Striker schaute sich suchend nach einer Leiter um. Vergeblich. Dann zog er sich zwei Estricheimer an die Tür, stellte sich darauf und untersuchte die Stelle. Ihm war spontan klar, was er entdeckt hatte: ein Einschussloch.
Striker kombinierte blitzschnell. Angesichts der Toten in dem Van und der Informationen, die er von Chinese Tony hatte, war zweifellos nur eine logische Erklärung möglich.
Dieses Zimmer war Schauplatz eines, vermutlich sogar mehrerer Morde geworden.
66
Gut eine Stunde später, um kurz nach eins, stoppten die beiden Detectives kurz bei der Forensischen Videotechnik und lieÃen sich von Ich eine Harddisk mit der Audioaufzeichnung für Worldwide Translation Services geben. Sie setzten groÃe Hoffnung in die Ãbersetzung, zumal es im Fortune Happy Restaurant nicht besonders gut gelaufen war.
Annie Ting war verschlossen wie ein Grab, genau wie das übrige Personal. Striker hatte nichts anderes erwartet. Er nahm sie alle in Untersuchungshaft mit der Begründung, dass sie die laufenden Ermittlungen behinderten, während die Spurensicherung aktiv wurde.
Es war die bestmögliche Strategie, fand Striker. Manchmal brachten ein paar Stunden Knast die Leute zum Reden. Und wenn das nicht wirkte, halfen in den meisten Fällen harte forensische Fakten. Trotzdem spielten sie auf Zeit, und dieses Spiel behagte Striker ganz und gar nicht.
Sie erreichten die Kreuzung Grant und Commercial, den Sitz von Worldwide Translation Services. Striker kannte den Laden, er war öfter hier, wenn die schlecht ausgebildeten Ãbersetzer bei der Polizei nicht mehr weiterwussten, was verdammt oft der Fall war.
Sie setzten sich in den Warteraum. »Hast du noch mal im Krankenhaus angerufen?«, erkundigte er sich bei Felicia.
Sie nickte. »Ja, keine Veränderung bei Patricia Kwan. Dr. Adler will anrufen, wenn er Neuigkeiten
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