Schnittmuster

Patricias Nachtschrank. »Ich hassen zu lügen, Patricia Kwan. Sie werden sterben. Aber Sie können mit Schmerzen gehen oder ohne Schmerzen – ist Ihre Wahl.«
    Ihre Reaktion war ein stockendes Flüstern: »Bitte … oh Gott … warum? Warum tun Sie das?«
    Rotmaske betrachtete sie und versuchte dabei, seine Emotionen zu analysieren. Irgendetwas regte sich in ihm, tief in ihm drin, ein seltsames Gefühl. Wie ein Name, der ihm entfallen war.
    Â»Sie zeigen große Respektlosigkeit. Das werden nicht – können nicht – tolerieren.« Er streifte sie mit einem forschenden Blick. »Sie denken, keiner wird entdecken?«
    In Patricias Augen schlich sich ein verständnisloser Ausdruck. »Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie sprechen. Ich bin unschuldig.«
    Â»Keiner ist unschuldig.«
    Rotmaske blickte zur Uhr. Inzwischen waren einige Minuten verstrichen. Die Krankenschwester würde bald wieder erscheinen. Jede Sekunde war kostbar. Er beugte sich abermals vor, sah sie direkt an, verdrängte dabei die jähe Schmerzattacke in seiner Schulter, denn für Schmerzen war keine Zeit.
    Â»Ich fragen Sie noch einmal, Patricia Kwan.«
    Â»Bitte, ich …«
    Â»Wo ist Tochter? Wo ist Riku Kwan?«
70
    Als das Telefon klingelte, stand Courtney unter der Dusche. Wer konnte das sein? Egal. Sie ließ es erst mal klingeln, dachte dann aber automatisch an Raine und wurde neugierig. Ob ihre Freundin und Que bis zum Äußersten gegangen waren? Das nach Mango duftende Shampoo tropfte ihr in die Augen, als sie die Duschkabinentür aufschob, rausschlüpfte, sich ein Badetuch vom Handtuchstapel angelte und halb nackt in die Halle lief.
    Sie riss beim fünften Klingeln den Hörer ans Ohr – kurz bevor der Anrufbeantworter ansprang – und sah auf die Anrufer-ID.
    Quenton Wong.
    Sie wusste spontan, dass es Raine war, und stöhnte theatralisch in den Hörer: »Mann, ich hab zig Mal bei dir angerufen. Wieso nimmst du nicht ab?«
    Â»Sorry, Court. Mein Handy hat den Geist aufgegeben.«
    Â»Ich hab es auch auf Ques versucht.«
    Â»Sein Handy ist totaler Müll. Er hat es mal in die Badewanne fallen lassen, seitdem hat es irgendeine Macke. Mal funktioniert es, mal nicht.«
    Raine verstummte, und für einen Augenblick war Funkstille in der Leitung. Schließlich fragte Courtney: »Und? Habt ihr es getan?«
    Â»Er … er ist nicht hier«, stammelte Raine.
    Â»Nicht da? Wo bist du?«
    Â»In der Bude von Ques Freund. Du erinnerst dich an den Typen, den wir im Kino getroffen haben, bei Avatar? Der mit der schlechten Haut?«
    Â»Ah ja, Mr. Pickelfresse.«
    Raine lachte über den Spitznamen. »Mmh, ja, Mr. Pickelfresse hat seine eigene Bude. Auf der Adanac.«
    Â»Und da ist Que nicht?«
    Raine seufzte halb gefrustet, halb ärgerlich. »Hier ist niemand außer mir. Que hat sich gestern den ganzen Abend nicht blicken lassen. Keine Ahnung. Vielleicht hat er es sich … anders überlegt.«
    Courtney fühlte, wie das Duschwasser in schmalen Rinnsalen über ihre Beine lief und sich um ihre Füße zu einer kleinen Pfütze sammelte. Es war ihr egal. »Gott, du machst wohl Witze! Im Restaurant war er doch … na ja … total scharf auf dich. Da ist bestimmt irgendwas gewesen, weshalb euer Date geplatzt ist.«
    Â»Und, worauf tippst du?«, muffelte Raine.
    So weit hatte Courtney noch nicht überlegt. Eigentlich kamen auch nur zwei Möglichkeiten in Betracht: Entweder war Que mit einer anderen Flamme unterwegs, oder er hatte Ärger gehabt und war womöglich im Gefängnis oder sonst wo.«
    Â»Vielleicht ist er wieder mal betrunken Auto gefahren und wurde eingebuchtet.«
    Â»Das hat er bloß ein einziges Mal gemacht!«, entgegnete Raine gereizt.
    Â»Ich mein ja bloß …«
    Â»Okay, okay. Hör mal, Süße, was treibst du gerade? Magst du nicht herkommen und mir ein bisschen Gesellschaft leisten? Ich les gerade Twilight . Ein super Buch, aber wenn ich noch länger lese, krieg ich Augenrheuma. Außerdem kann ich jetzt nicht nach Hause, verdammt.«
    Â»Wieso nicht?«
    Â»Stehst du auf der Leitung, oder was? Nachdem ich die ganze Nacht ausgeblieben bin wegen Que, bin ich garantiert für den Rest des Jahres auf Hausarrest gebucht. Ich hab mein Britney-Ticket dabei und mein Kostüm. Ich lass mich erst wieder zu Hause blicken, wenn die Parade of Lost Souls und