Schnittmuster
gewollt. Weil sie noch ein Kostüm braucht für die Parade of Lost Souls Party am Freitag. Sie wurde nach der SchieÃerei dort gesehen, Jacob. Also fehlt ihr nichts. Sie ist putzmunter und hat wie üblich keine Lust, sich mit dir zu streiten.«
Er atmete hörbar auf. »Danke.«
»Ich dachte, du solltest es wissen.« Als er nicht reagierte, maà sie ihn verblüfft. »WeiÃt du, es ist völlig okay, erleichtert zu sein. Du bist schlieÃlich auch nur ein Mensch. Jedenfalls soweit ich das beurteilen kann.«
Er grinste schief. Hauptsache, Courtney war wohlauf â eigentlich war er die ganze Zeit davon ausgegangen. Trotzdem fiel ihm ein zentnerschweres Gewicht vom Herzen. Zumal ihn die Ungewissheit bei seinen Entscheidungen erheblich belastet hatte. »Ich hab ihn erwischt.«
»Wen?«
»Den Schützen, der entkommen ist â Rotmaske. Ich hab ihn einmal getroffen, als ich durch die Heckscheibe in den Wagen schoss. Ich weià es. Ich fühl es. Ich hab ihn erwischt. Und er ist verletzt.«
»Gut zu wissen«, gab Felicia zurück. »Hervorragend.«
»Von wegen hervorragend, es ist eine Katastrophe.« Als Felicia ihn mit groÃen Augen ansah, fuhr er fort: »Es gibt nichts Gefährlicheres als ein angeschossenes Tier. Wenn er verletzt ist, ist er unberechenbar. Falls er vorhatte, noch mehr Kids umzunieten, hab ich dem Vorschub geleistet â womöglich hab ich ihn in seinen Plänen bestärkt.« Er spürte ein dunkles, ahnungsvolles Kribbeln in der Magengrube und wusste intuitiv, dass etwas Schlimmes passieren würde. Irgendetwas, wofür er letztlich verantwortlich wäre. Irgendetwas, das er im Nachhinein gern ungeschehen machen würde.
Kein Zweifel: Es würde noch mehr Tote geben.
19
Rotmaske lag auf einem Tisch. Er klappte die Lider auf. Sah sich um.
Der Raum war klein und wurde von nackten Glühbirnen erhellt. An einer der schmutzig grau gestrichenen Wände stand ein schmächtiger, alter Mann. Er war kahlköpfig. Die Falten so tief eingekerbt, dass seine dunkle Gesichtshaut an Baumrinde erinnerte.
Es war der Arzt. Jun Kieu.
Rotmaske ignorierte ihn. Er lag da und starrte in das grell weiÃe Licht. Plötzlich tauchte Kim Pham auf, bedeutete mit einem Fingerschnippen den beiden Typen, die an der Tür Wache standen, dass sie nicht mehr erwünscht waren. »Verpisst euch.«
Zurück blieben Rotmaske, Kim Pham und der Arzt.
»Helfen Sie mir«, flüsterte Rotmaske.
Der Arzt trat zu ihm, legte ihm begütigend eine Hand auf die Schulter. »Bleiben Sie still liegen. Entspannen Sie sich.«
Rotmaske konnte nicht entspannen. Er kämpfte mit den Dämonen aus der Vergangenheit, die von seiner Fantasie Besitz nahmen.
In seiner Vorstellung trug Kim Pham keinen weiÃen Anzug, sondern eine grüne Mütze und eine graue Uniformjacke. Schreie drangen durch das Fenster, von dort, wo die Frauen gefangen gehalten wurden.
»Sie sind ein CIA-Agent«, donnerte eine Stimme ähnlich einer Maschinengewehrsalve.
»Meine Schwester«, erwiderte Rotmaske, in seiner Fantasie war er wieder acht Jahre alt. »Wo ist meine Schwester?«
»Sie stammen aus der früheren UdSSR.«
»Nein. Nein. Meine Familie â¦Â«
»Sie haben die Lebensmittelvorräte vergiftet, damit die anderen krank werden.«
»Was?«
»Sie haben medizinische Dokumente gefälscht, um den Ruf dieses Krankenhauses zu schädigen, weil es einzigartig in seiner Art ist.«
»Mutter! Ich will zu meiner Mutter!«
Dann verlor sich die Vision wie sich auflösender Nebel. Und Kim Pham stand da. Die Muskeln in seinem Gesicht zuckten.
»Fuck, es ist schlimm. Schlimm, schlimm, SCHLIMM. Nichts ist erledigt! Die Bosse werden darüber nicht glücklich sein.« Er lief nervös auf und ab, presste die Fäuste an seine Schläfen, dann stoppte er. Er lehnte sich über Rotmaske und sagte auf Englisch â er sprach immer Englisch, denn ihre Dialekte waren zu weit auseinander: »Können Sie mich hören? Verdammte Hacke, können Sie überhaupt irgendwas hören?«
Die Worte drangen laut und gefährlich sanft an seine Ohren. Rotmaske erwiderte: »Ich bin hier, ich bin wach.«
Kim Pham senkte die Stimme. »Verflucht, was ist da passiert? Haben Sie den Job erledigt oder nicht?«
Rotmaske fühlte, wie die Bilder ihn überwältigten; er kämpfte gegen den zunehmenden
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