Schnittmuster
Supermarkt. Anleger C und D.«
Striker angelte nach Stift und Papier und notierte sich die Adresse. »Ich bin in zwanzig Minuten da.«
»Zehn, die WeiÃhemden sind im Anmarsch.«
Striker fluchte. »Erzähl mir bloà nicht, es ist Laroche.«
»Verdammt, beeil dich, Schiffswrack. Du kannst es mir getrost glauben â du wirst Augen machen, was du hier zu sehen kriegst.«
Eine Viertelstunde später durchquerte Striker Südvancouver â District 3 â und näherte sich dem Fraser River. Er steuerte den Polizeiwagen über den glitschigen Marine Drive, dann südlich über die alte unbefestigte UferstraÃe, die sich am Fluss entlangschlängelte. Auf den StraÃen lag ein dünner Eisfilm, und der Wagen schlitterte in jeder Kurve.
Die StraÃenverhältnisse waren miserabel, die Lichtverhältnisse noch mehr. Er konnte kaum die Hand vor Augen sehen, und der Sturm peitschte den Strom zu hohen Wellen auf, die sich etwa drei Meter vor ihm an der Staumauer brachen. Die Wassermassen gurgelten zornig heiser. Striker nahm den Fuà vom Gas.
Kein Grund, sich selbst umzubringen.
Noch nicht.
Entlang der Wasserlinie ragten hohe Betonschornsteine in den Himmel gleich riesigen Kanonen, die Dampf in die Nacht pusteten. Wo die kohlschwarze Wolke endete und der beiÃende Rauch begann, hätte er nicht zu sagen vermocht. Es war alles eine dunkel geballte Masse, die langsam über den Fluss zog. Er war im Industriegebiet, wo sich Papiererzeugung, Kiesverladestellen, Betonfabriken und Import-/Exportfirmen angesiedelt hatten.
Hier tummelten sich ausschlieÃlich Arbeiter.
An der nächsten Biegung sah Striker das Blaulicht aufblitzen. Drei Polizeiautos parkten im Nebel an der Uferböschung, neben einer Betonfabrik.
Striker erspähte Rothschild. Der Sergeant paffte einen Zigarillo und nippte an einem Becher, vermutlich abgestandener, kalter Kaffee. Wie er Rothschild kannte, war es sein fünfter in dieser Nacht. Minimum.
Striker schwang sich aus dem Wagen und marschierte über das holprige Pflaster. Die eisige Brise, die vom Wasser blies, betäubte sein Gesicht, verwandelte seine Ohren in Eiszapfen. Er zog den ReiÃverschluss seiner dicken Schurwolljacke hoch, was jedoch nicht wirklich nützte.
»Mike«, rief er. »Hey, Mike! Rothschild!«
Sergeant Mike Rothschild schwenkte zu ihm herum, seine schütteren Haare windzerzaust. Er stand breitbeinig, ein Schrank auf Beinen, seine Schultern nach innen gerollt, seine Hände zu Fäusten geballt.
»Heilige ScheiÃe, Mann, wurde auch verflucht Zeit, dass du deinen Arsch hierherbewegst. Mir frieren echt meine Eier ab!«
Striker grinste. »Lass ruhig alles raus, was dich quält. Bei mir brauchst du kein Blatt vor den Mund zu nehmen, Mike.«
Rothschild deutete sein typisches Grinsen an â zynisch, schief, sein schmaler Schnäuz zog sich auf der linken Seite eine Idee höher. Er schlürfte einen Schluck Kaffee, zog eine Grimasse, dann nahm er den Deckel ab und schüttete die Brühe auf die StraÃe.
»Bah, eklig kalt«, knirschte er. »War sowieso Tankstellen-Plörre. Aber wenigstens billig.« Er wieherte los.
»Wieso sollte ich herkommen?«, wollte Striker wissen.
»Streng mal deine grauen Zellen an, Kumpel. Du bist doch vom Morddezernat, oder?«
»Wirf mal einen Blick auf meine Polizeimarke. Ich bin bestimmt nicht die Nummer eins auf deiner Anrufliste.«
Rothschild grinste süffisant. »Brauch ich für mein Strandgut da auch nicht.«
Striker wurde hellhörig. »Was genau hast du gefunden?«
Das Grinsen auf Rothschilds Lippen verlor sich. Er deutete mit dem Cigarillo zum Fluss.
»Sah auf den ersten Blick so aus, als wäre er angetrieben worden. Stimmt aber nicht. Die Leiche wurde hier versenkt, landete aber nicht richtig im Wasser, sondern blieb zwischen den Docks hängen. Die FüÃe sind ein bisschen angeknabbert, aber hey, was soll der Geiz? Ich war als Erster hier und stellte am Hinterkopf des Toten eine Schusswunde fest.« Er zeigte mit dem Daumen über seine Schulter auf das weiÃe Polizeifahrzeug, das etwas abseits vom Tatort in der Dunkelheit parkte, neben der Betonfabrik. »Wagen zehn war schneller als du. Er sitzt wohlig warm in seinem White Whale. Und liest vermutlich die aktuelle Ausgabe vom Geht-mir-am-Arsch-vorbei-Journal .«
Strikers Blick klebte an der dunkel getönten Windschutzscheibe.
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