Schnupperküsse: Roman (German Edition)
nicht, doch mache ich mir Sorgen, dass der Rest der Mäusefamilie sie vermissen könnte, wenn sie herausfinden, dass sie nicht mehr da sind.
»Nur ein Städter kann auf eine solche Idee kommen«, fährt er fort und wischt sich die Tränen aus den Augen. »Oh, Jennie, ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr so gelacht.«
»Ich auch nicht«, pruste ich.
»Wenn Adam da oben in meinem Feld wirklich Mäuse ausgesetzt hat, werden die sich schnurstracks auf den Weg zu meinem Haus begeben haben.«
»Du glaubst also nicht, dass er sich da oben für die Rechte der Tiere eingesetzt hat?«, frage ich und beruhige mich wieder.
Guy schaut mich an, und sein Gesicht wird ernst. »Er schien mir ein bisschen bedrückt zu sein.«
»Ich glaube, alle Teenager können schon mal etwas launisch sein. Da bildet Adam keine Ausnahme.«
»Als ich zurückging, um zu sehen, ob er weg war, fand ich ein paar leere Dosen Bier im Graben.«
»Welcher Teenager genehmigt sich nicht ab und zu schon mal ein Bier mit seinen Kumpels?«
Guy starrt mich an, und ich bemerke, dass ich die Augen vor der Wahrheit verschließe. »Er war allein.«
»Allein?« Ich zögere und lasse diese wesentliche Tatsache erst einmal sacken.
»Warum?« Mir schießen alle möglichen Fragen durch den Kopf. Ist das bloß ein einmaliger Ausrutscher? Ist mein Sohn Alkoholiker geworden? Warum hat er das getan? Wie ist er an den Alkohol überhaupt herangekommen?
»Was kann ich nur tun?«, frage ich verzweifelt. »Ich kann ihn nicht einsperren.« Genauso wenig kann ich ihn vom Alkohol fernhalten, da er überall ist, selbst in Talyton St. George, wo die Damen der Kirche und die Vereinigung der Landfrauen Abstinenz propagieren.
»Soll ich mit ihm reden? Von Mann zu Mann?«
Das hatte ich David ja schon vorgeschlagen, doch ich glaube von Mann zu Junge trifft es eher, denn mehr als das ist Adam nun mal noch nicht.
»Bitte sag mir, ich soll mich um meinen eigenen Kram kümmern, wenn du denkst, ich würde mich einmischen, aber ich mag Adam. Er ist ein guter Junge, und ich möchte nicht, dass er auf Abwege gerät.«
Es wäre an sich Davids Aufgabe, mit unserem Sohn zu sprechen, aber nachdem er so auf mich losging, als Georgia vom Pony fiel, mache ich mir Gedanken, was er sagen könnte. Abgesehen davon ist dieser Vorfall wahrscheinlich eine Ausnahme, und ich wüsste nicht, warum es noch einmal passieren sollte.
»Ich glaube nicht, dass das Problem so groß ist, wie du es darstellst, Guy. Ich kenne keinen Teenager, der nicht schon mal mit Alkohol herumexperimentiert hat.«
»Dann bin ich wohl die Ausnahme, denn mir war immer klar, dass ich für meine Arbeit den Führerschein brauche«, sagt Guy. »Das hört sich an, als wäre ich schon immer ein langweiliger alter Knacker gewesen – im Gegensatz zu dir mit deinem Sinn für Abenteuer und deiner Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen.« Er hält gespannt inne, und ich frage mich, ob er sich dran erinnert, wie er mich vor ein paar Abenden in dem Schrank in die Arme genommen hat. »An sich müsstest du jetzt sagen, ›Aber du bist doch gar kein langweiliger, alter …‹« Er setzt sich auf, hält die Hände hoch und fährt in diesem selbstironischen Ton fort: »Nein, ich will nicht, dass du lügst, nur um meine Gefühle nicht zu verletzen, denn ich bin in der Tat ein sehr langweiliger Mann.«
»Aber Guy, das stimmt nicht. Ich bin gerne mit dir zusammen«, protestiere ich. »Redet Adam wirklich mit dir?«, fahre ich fort und komme wieder auf meinen Sohn zurück. »Ich meine, öffnet er sich dir gegenüber? Das tut er bei mir nämlich nicht. Er gibt mir die Schuld, dass wir hierhergezogen sind und ich ihn von seinen Freunden und von seiner Schule weggezerrt habe … Und von seinem Dad.«
»Du bedauerst den Schritt aber doch nicht, oder?«, fragt Guy.
»Nein …«
»Adam erzählt mir von seinem Vater. Über seine Mutter reden wir auch.« Guy grinst, und ich werde rot. »Nichts Schlimmes, ich habe ihm gesagt, ich würde kein schlechtes Wort über sie dulden.«
»Ich weiß zwar nicht, ob du ihn noch willst«, sagt er und wechselt das Thema, wodurch mir erspart bleibt, wieder rot zu werden, »aber ich habe einen vollen Anhänger mit wunderbar verfaultem Dünger für dein Gemüsebeet. Ich könnte heute Nachmittag damit vorbeikommen.« Er hebt eine Hand. »Bevor du irgendetwas sagst, das ist ein Geschenk, du musst mir nichts dafür zahlen.«
Als er später mitsamt Traktor und Anhänger zurückkehrt, ruft er mich hinaus auf den
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