Schnupperküsse: Roman (German Edition)
liegt und unter dem sich eine Kunststoffwanne befindet. Danach faltet er das Sackleinen über der Maische zusammen. »Anschließend nimmt man wieder ein Stück Sackleinen, so«, fährt er fort, »legt es darüber, schüttet eine weitere Schicht Mai sche darauf und wiederholt diesen Vorgang so lange, bis der Rahmen voll ist.« Er schaut mich an, seine Augen strahlen vor guter Laune. »Damit werde ich einige Zeit beschäftigt sein, du kannst also weiter Äpfel zerkleinern.«
Schließlich zeigt uns Guy noch, wie die Presse auf die mit Maische gefüllten Sackleinen heruntergefahren wird und der Saft in die Kunststoffwanne tropft.
»Und was passiert jetzt?«, frage ich.
»Der ausgepresste Trester wird an die Kühe verfüttert und der Saft in Fässer gefüllt, wo er einige Wochen gärt. Dann kommen die Pfropfen auf die Fässer, und der Saft reift ein paar Monate.«
»Ich bin beeindruckt«, sage ich. »Musst du wie beim Brot noch Hefe hinzufügen?«
»Nein, auf den Schalen der Äpfel befindet sich wilde Hefe. Deshalb waschen wir sie nicht.«
Ich weiß zwar nicht, wie es sich beim Apfelwein verhält, doch eins ist sicher, Guys Nähe bringt mich zum Brodeln. Ich spüre, wie Bläschen des Verlangens in meinem Bauch aufgehen, zerplatzen, abklingen und dann wieder aufgehen. Ich versuche, sie zu unterdrücken.
»Alles in Ordnung, Jennie?« Der Klang seiner Stimme bringt mich wieder zurück in die Gegenwart. »Möchtest du mal eine Pause einlegen?«
»Noch nicht. Obwohl ich einen Biskuitkuchen gebacken habe …« Ich schaue ihn über den Eimer mit der Maische an, unsere Blicke treffen sich. Ich spüre, wie ich schwanke. Guy greift nach meinem Arm.
»Mir ist ein bisschen schummrig«, sage ich.
»Es ist kalt hier draußen. Lass uns reingehen, um uns zu wärmen.«
»Zu dir oder zu mir?«, murmle ich. Zu schwach, um einen Witz darüber zu machen, bin ich dann doch noch nicht.
»Zu dir natürlich.«
Ich hake mich bei ihm unter, und wir gehen zurück zum Haus. Ich bin mir Adams finsteren Blickes bewusst.
»Deine Mutter und ich sind nur Freunde«, ruft Guy ihm zu. »Hast du das gehört?«
»Laut und deutlich«, erwidert er und schließt sich uns an. »Solange es kein Geknutsche gibt.«
»Auf keinen Fall!«, versichert ihm Guy. Obwohl er genau die richtige Antwort gegeben hat, wünschte ich mir, sein Ton wäre nicht so bestimmt.
Wir sitzen bei Kaffee und Kuchen und plaudern, während Adam sich kurz verzieht, um Fernsehen zu schauen, bevor wir uns wieder ans Zerkleinern und Pressen der Äpfel begeben.
»Suchst du immer noch nach deinem besonderen Kuchen?«, fragt mich Guy, als er meine Notizen der letzten Wochen überfliegt.
»Ja, aber ich finde einfach nicht das Passende. Er sollte zwar ungewöhnlich sein, aber auch nicht zu sehr.«
»Also keine Rote Bete?«
Ich lächle. »Nein, keine Rote Bete. Und auch keine Zucchini. Aber auch kein Schokoladenkuchen, obwohl die meisten ihn mögen. Doch ich habe mir sämtliche Varianten angeschaut, und keiner passt. Der Kuchen sollte, wenn möglich, einen Bezug zur Gegend hier haben.«
»Wie wär’s dann mit einem Apfelweinkuchen?«, fragt mich Guy. »Meine Mutter backte ihn früher immer – natürlich mit unserem Apfelwein.«
»Das hört sich vielversprechend an.«
»Ich bin mir sicher, das Rezept ist in irgendeinem ihrer Ordner bei uns zu Hause – ich habe sie alle oben auf die Küchenschränke gestellt, als mir klar wurde, dass sie nicht mehr wiederkommen würde. Ich hole sie gerne für dich wieder herunter.«
»Glaubst du, sie hätte was dagegen, wenn ich eines ihrer Rezepte verwenden würde?«
»Sie wird es nicht erfahren«, erwidert Guy schroff.
»Das sollte sie aber, finde ich«, entgegne ich ihm. »Sollte er mein Spezialkuchen werden, möchte ich ihren Beitrag anerkennen. Mir macht es nichts aus, sie zu fragen.«
»Das mache ich schon, aber sie wird nicht wissen, von was ich spreche, denn sie kann sich nicht mehr daran erinnern, den besten Apfelweinkuchen der ganzen Gegend gemacht zu haben. Sie kann sich noch nicht einmal mehr an mich erinnern.«
»Das tut mir leid.« Ich kämpfe gegen mein instinktives Gefühl an, ihn in den Arm zu nehmen.
»Letztens hat sie Oliver zu mir gesagt«, fährt er leise fort. »Sie glaubt, ich bin mein Bruder. Die Ironie daran ist, dass er sie nie besucht. Sie hat ihn vor mehr als einem Jahr das letzte Mal gesehen.«
»Das muss sehr …« Ich versuche, das richtige Wort zu finden.
»Wehtun«, sagt Guy und vollendet für mich den
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