Schnupperküsse: Roman (German Edition)
von der Auffahrt. Ich schlüpfe aus dem Bett, hülle mich in mein Federbett ein und stelle mich seitlich ans Fenster – inzwischen mache ich die Vorhänge nur noch selten zu – und spähe hinaus. Ich erkenne vier Gestalten – zwei Männer und zwei Frauen. Einer der Männer ist Guy, der seinen Arm um eine der Frauen gelegt hat. Ich glaube, sie lachen. Eifersucht und Traurigkeit steigen in mir hoch. Ich lasse mich auf die Fensterbank fallen und bleibe eine ganze Zeit lang sitzen. Wer ist sie? Was habe ich erwartet? Dass Guy eine Art Mönch ist? Warum macht mir das was aus?
»Wo gehst du hin?«, frage ich Adam, als ich ihn am nächsten Morgen noch vor der Dämmerung in der Küche abpasse.
»Ich habe Guy versprochen, ihm beim Melken zu helfen.« Adam isst etwas, das so aussieht wie ein Haferkeks. »Hast du ein Problem damit?«
»Nicht wirklich … Ich bin mir nur nicht sicher, ob er schon auf ist.«
»Er ist nie zu spät für die Kühe. Die Damen mögen es nicht, wenn sie warten müssen«, sagt er.
»Ich glaube, er hat Besuch.«
Adam hebt eine Augenbraue. »Und?«
»Könnte sein, dass er nicht gestört werden möchte.«
Adam zieht sein Handy aus der Hosentasche, drückt auf ein paar Knöpfe und hält mir dann das Display hin. » SMS von Guy, vor einer Viertelstunde erhalten. Er hatte Angst, ich könnte verschlafen haben.«
»Na gut«, sage ich und würde ihn am liebsten bitten herauszufinden, wer Guys Freunde sind. »Dann bis später!«
Nach dem Melken taucht Guy am Küchenfenster auf und wedelt mit einer Art Ordner – ich bemerke voller Bedauern, dass er nicht mehr von sich aus hereinkommt, außer Adam ist dabei.
Ich winke ihn herein, und er kommt in die Küche. Er sieht aus wie das blühende Leben, trotz der Nacht zuvor, und trägt ein Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln, eine Weste und eine Kakihose. Er riecht wie immer nach diesem aphrodisierenden Gemisch aus Aftershave und Kuh, nur dass heute noch ein Hauch verbrannte Eiche dabei ist.
»Ich habe dir den hier mitgebracht«, sagt er und zeigt auf den Ordner. »Ich dachte, er könnte für dich von Interesse sein. Das Rezept für den Apfelweinkuchen ist darin, aber auch noch ein Menge andere Rezepte.« Er gibt mir einen ausgeblichenen gelben Ringordner. »Mach ihn auf!«
Ich lege ihn auf den Küchentisch.
»Ich weiß nicht warum, aber ich habe das Gefühl herumzuschnüffeln«, sage ich und schlage die erste Seite auf.
»Ich denke, Mum würde sich freuen, wenn die Rezepte wieder benutzt werden würden.«
Uphill Apfelweinkuchen – ordentlich mit schräger Handschrift geschrieben. Zu den Zutaten gehören Apfelwein, Muskatnuss und Apfelweinbrand. Außerdem gibt es ausführliche Anweisungen, wie er zu backen ist.
»Was meinst du?«, fragt er.
»Sieht aus, als wäre es genau das, nach was ich gesucht habe – ich hoffe, dem Kuchen gerecht zu werden.«
»Da bin ich mir sicher.«
»Danke, Guy.« Ich halte inne. »Ich hoffe, du musstest deine Freunde nicht zurücklassen, um hierherzukommen.«
Er runzelt die Stirn.
»Die Leute, die gestern Nacht bei dir waren … Ich habe gehört, wie du nach Hause gerollt bist, du Fassroller!«
»Haben wir dich geweckt? Das tut mir leid!«
»Ich konnte nicht schlafen. Zu aufgewühlt, nehme ich an.«
»Ich hoffe, es hat dir gefallen – das Fest ist eines der Höhepunkte im Jahr hier in Talyton.«
»Du gehst besser wieder zurück«, sage ich, »zu deinen Freunden.« Meine Stimme verliert sich. Bin ich gerade dabei, alles zu vermasseln?
»Du meinst Ruthie und die anderen? Die habe ich allein gelassen, damit sie wieder auf die Füße kommen. Sie hatten alle einen ganz schönen Kopf heute Morgen, aber das haben sie nach dem Umzug mit den Teerfässern immer.«
»Und du?«
»Ich habe nachher im Pub nur ein paar Bierchen getrunken, davor nichts. Alkohol und brennende Fässer vertragen sich nicht miteinander. Deshalb bin ich da ziemlich vorsichtig.«
»Du bist verrückt«, sage ich leise.
Er sieht mich fragend an.
»Jennie, kannst du mir bitte sagen, was hier gerade vor sich geht?« Er senkt seine Stimme. »Zwischen dir und mir? Verzeih mir, aber ich glaube, wir müssen reinen Tisch machen.«
Ich hole tief Luft und atme langsam aus, während er fortfährt. »Du sendest mir unterschiedliche Signale. Es kann natürlich auch an mir liegen, weil ich sie vielleicht nicht richtig deute. Ich weiß, wir haben beschlossen, uns eine Weile zurückzuhalten, aber damit meinte ich nicht, dass du mich vollständig aus deinem Leben
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