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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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Vossler, und diese verdammte Karikatur der Staatsgewalt würde die Sache nur unnötig komplizieren. »Was ist denn mit Ihnen los, Mister?« fragte der Polizist, die Hände immer noch schlagbereit um den Stock gekrampft.
    »Absolut nichts«, erwiderte Buddwing kurz und versuchte, den Polizisten zu umgehen. Doch der Polizist vertrat ihm mit einem schnellen Schritt den Weg, und der Schlagstock hob sich ein wenig der Hüfte zu. Der Polizist war rothaarig, sommersprossig und hatte ein verdrossenes Gesicht. Buddwing hasste ihn unverzüglich; teils war es die gewohnte Reaktion aller New Yorker auf Polizisten, teils sah er in ihm ein Hindernis, das ihm persönlich den Weg versperrte. Der Polizist wußte, daß man ihn als Symbol hasste und argwöhnte überdies persönlichen Hass, weil er an schlechtem Atem litt; er stand in unbewegter Gelassenheit vor Buddwing, und seine Miene verdoppelte die Drohung, die in dem Schlagstock lag. Hinter ihm ließen die Schachspieler ihr Spiel im Stich und widmeten der Begegnung ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Der Straßensänger, von einer Gruppe halbwüchsiger Jungen in Blue Jeans und etlichen Mädchen mit verschleierten Cleopatra-Augen umgeben, hatte die Gitarre auf die Hüfte gestemmt und starrte den Polizisten an.
    »Mir ist aber so, als hätten Sie hier laut herumgeschrien«, sagte der Polizist.
    Buddwing trat zurück, ein versöhnliches Grinsen voller Polizeirespekt im Gesicht. Er hatte keinerlei Ausweis bei sich, und wenn es ihn auch nicht sehr gestört hätte, nach Bellevue gebracht zu werden, so lag ihm doch nichts daran, vorher im Untersuchungsgefängnis zu landen. Je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, daß es ihn auch nicht sehr nach Bellevue zog. Also grinste er vorsichtig und sagte entschuldigend: »Tut mir leid, Officer, wenn ich laut gewesen sein sollte. Wahrscheinlich habe ich es selbst nicht gemerkt.«
    »Schön, aber schließlich gibt es so etwas wie öffentliche Ruhestörung«, sagte der Polizist ungerührt, und Buddwing begriff: das konnte nicht gut gehen.
    »Tut mir leid, Officer«, sagte er.
    »Ich könnte Sie wegen ungebührlichen Verhaltens festnehmen; das ist Ihnen doch hoffentlich klar?« fragte der Polizist.
    »Daß ich mich ungebührlich verhalten hätte, ist mir nicht bewußt«, sagte Buddwing.
    »Hm«, sagte der Polizist und musterte ihn. Der Negersänger mit seinem Anhang von Beatniks und Musikliebhabern war näher herangekommen, die Schachspieler hatten es fertig gebracht, eine Gruppe von Samstagsstudenten um sich zu versammeln, die wissen wollten, was vor sich ging. Der Polizist spürte das Publikum hinter sich; er fühlte, daß seine Autorität offen herausgefordert, wenn nicht ernsthaft bedroht war, rückte Buddwing noch ein wenig näher auf den Leib und sagte: »Zunächst mal – was tun Sie hier vor dem Universitätsgebäude?«
    »Ich saß auf einer Bank in der Sonne«, sagte Buddwing.
    »Schön, aber warum ausgerechnet hier?«
    »Ist dies kein öffentlicher Park?« fragte Buddwing.
    »Das ist einerlei. Beantworten Sie meine Frage.«
    »Es war ruhig, friedlich und sonnig hier, und deshalb habe ich mich hingesetzt«, sagte Buddwing. »Wenn das gesetzwidrig ist, so wußte ich nichts davon.«
    »Ist es auch nicht«, sagte der Polizist mit ruhiger, pflichtbewusster Machen-Sie-keinen-Unsinn-Stimme; dann fügte er ungerührt hinzu: »Würden Sie mir vielleicht Ihren Ausweis zeigen, Mister?«
    Unheildrohendes Schweigen folgte; der Polizist begriff, daß er einen Fang getan hatte, und Buddwing wußte, daß er in der Falle saß. Die Leute, die von den Wegen und Bänken herbeigekommen waren und Buddwing und den Polizisten im Kreis umstanden, schwiegen gleichfalls, geduldig, zurückhaltend, als wüssten sie noch nicht, auf wessen Seite sie sich schlagen sollten. Der Polizist starrte Buddwing kühl und unpersönlich an, Buddwing starrte in einer Mischung von Angst und Zorn zurück; er versuchte, aus dem Schweigen auf die Absichten der Leute zu schließen, denn er wußte, daß Fälle von Lynchjustiz manchmal mit solchem Schweigen einsetzten.
    »Ich bin kein Vagabund«, sagte er.
    »Wer hat das behauptet?«
    »Ich habe hier nur in der Sonne gesessen.«
    »Und was noch? Studentinnen angestarrt?«
    »Nein, ich …«
    »Haben Sie den jungen Studentinnen nachgestarrt?« fragte der Polizist, überzeugt, einen guten Fang getan zu haben – vielleicht war es sogar der Würger von Boston beim Wochenendausflug nach New York City. Seine Nasenlöcher dehnten

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