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Schockwelle

Schockwelle

Titel: Schockwelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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Holz.
    Keinerlei Geister oder Gespenster lauerten im Dunkeln, aber Pitt stand unverhofft vor einem menschlichen Skelett, das ihn aus leeren Augenhöhlen anstarrte.
    Es lag rücklings auf einer Koje, die aus dem Segelboot ausgebaut worden war. An den kräftigen Knochenwülsten über den Augenhöhlen erkannte Pitt, daß es sich um die sterblichen Überreste eines Mannes handelte. Der Tote hatte nur mehr drei Zähne, doch die anderen waren offenbar nicht ausgeschlagen, sondern einfach ausgefallen.
    Eine zerfledderte Shorts bedeckte sein Becken, und an den knöchernen Füßen hatte er ein Paar Segelschuhe mit Gummisohlen. Das im feuchten Holz hausende Kleingetier hatte sich am Fleisch gütlich getan und nur die blanken Gebeine hinterlassen. Ein Büschel roter Haare, das unter dem Schädel lag, war der einzige Hinweis darauf, wie der Mann einst ausgesehen hatte. Die Knochenhände waren über der Brust gefaltet und umklammerten ein in Leder gebundenes Logbuch.
    Ein rascher Blick durch die Hütte zeigte, daß der Besitzer die Ausstattung seines gestrandeten Bootes genutzt und sich hier so häuslich wie möglich eingerichtet hatte. Die Segel der
Dancing Dorothy
waren unter der Decke aufgespannt, um den Wind und den Regen, der durch das mit Zweigen bedeckte Dach eindrang, abzuhalten. Auf einem Schreibpult lagen britische Admiralitätskarten, dazu ein Stapel Bücher mit Navigationshilfen, Gezeitentafeln, Schiffahrtsbefeuerung und Funksignalen sowie ein nautischer Kalender. In dem Regal daneben befanden sich allerlei technische Handbücher und Gebrauchsanleitungen zur Benutzung der elektronischen und mechanischen Geräte des Bootes. Eine sorgsam lackierte Mahagonikiste, die ein Chronometer und einen Sextanten enthielt, stand auf einem kleinen Holztisch neben der Pritsche.
    Unter dem Tischchen lagen ein Hand- und ein Steuerkompaß, der vom Boot ausgebaut worden war. Das Steuerrad, an dessen eine Speiche ein Fernglas gebunden war, lehnte an einem kleinen, zusammenklappbaren Eßtisch.
    Pitt beugte sich über das Skelett, nahm ihm vorsichtig das Logbuch aus den Händen und verließ die Hütte.
    »Was hast du entdeckt?« fragte Maeve gespannt.
    »Laß mich mal raten«, sagte Giordino. »Eine Riesenkiste voller Piratenschätze.«
    Pitt schüttelte den Kopf. »Diesmal nicht. Aber ich habe den Mann gefunden, der die
Dancing Dorothy
auf die Felsen gesteuert hat. Er ist nicht mehr von dieser Insel weggekommen.«
    »Ist er tot?« fragte Maeve.
    »Er ist lange vor deiner Geburt gestorben.«
    Giordino ging zur Tür und spähte zu den sterblichen Überresten in der Hütte. »Ich frage mich, weshalb es ihn so weit abseits der üblichen Routen verschlagen hat.«
    Pitt hielt das Logbuch hoch und schlug es auf. »Die Antwort sollte hier drin stehen.«
    Maeve warf einen Blick auf die Seiten. »Kannst du die Schrift nach so langer Zeit noch entziffern?«
    »Ja. Das Logbuch ist gut erhalten und die Handschrift kräftig und markant.« Pitt setzte sich auf einen Felsen, überflog mehrere Seiten und blickte dann auf. »Er hieß Rodney York und war einer von zwölf Einhandseglern, die an einer Regatta teilnahmen, zu der eine Londoner Zeitung aufgerufen hatte und die vom englischen Portsmouth aus nonstop um die ganze Welt führen sollte. Der erste Preis betrug zwanzigtausend Pfund.
    York lief am vierundzwanzigsten April 1962 in Portsmouth aus.«
    »Der arme Kerl ist demnach seit achtunddreißig Jahren verschollen«, versetzte Giordino düster.
    »Er war siebenundneunzig Tage auf See und hatte sich ein paar Stunden hingelegt, als die
Dancing Dorothy
strandete.« Pitt hielt inne und blickte lächelnd zu Maeve auf. »Und zwar auf den ›Miseries‹, den ›Elendsinseln‹, wie er sie hier nennt.«
    »York hat sich offenbar nicht mit australischen Sagen befaßt«, sagte Giordino.
    »Den Namen hat er natürlich erfunden«, erklärte Maeve im Brustton der Überzeugung.
    »Seinem Bericht zufolge«, fuhr Pitt fort, »kam er im südlichen Indischen Ozean flott voran, nachdem er das Kap der guten Hoffnung umrundet hatte. Dann nutzte er die in den Roaring Forties herrschenden Westwinde und wollte auf direktem Kurs nach Südamerika und durch die Magellanstraße segeln. Seiner Ansicht nach führte er die Regatta an, als sein Generator ausfiel und er jeden Kontakt zur Außenwelt verlor.«
    »Das erklärte vieles«, sagte Giordino, der über Pitts Schulter auf das Logbuch starrte. »Warum er in diesem Seegebiet gesegelt ist zum Beispiel, und weshalb er nicht um Hilfe

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