Schockwelle
hinüberschallte.
»Maeve!« schrie sie.
Maeve spähte über den schmäler werdenden Wasserstreifen zwischen den beiden Schiffen hinweg und suchte die Decks der
Polar Queen
nach der Frau ab, die ihren Namen gerufen hatte.
Dann entdeckte sie die winkende Gestalt auf der Brückennock.
Eine halbe Minute lang blickte sie verwirrt hinüber. Dann erkannte sie Deirdre, und ihr Gesicht erstarrte, so als wäre ihr plötzlich ein Gespenst über den Weg gelaufen.
»Deirdre?« rief sie fragend.
»Was ist denn das für eine Begrüßung, wenn jemand, der einem nahesteht, gerade von den Toten wiedergekehrt ist?«
»Du… bist hier… am Leben?«
»Ach, Maeve, du weißt ja gar nicht, wie froh ich bin, daß du überlebt hast.«
»Ich bin völlig schockiert«, sagte Maeve, die ihre Gefühle allmählich wieder in den Griff bekam.
»Bist du verletzt? Ist dir bei dem Landausflug irgend etwas passiert?« fragte Deirdre, als machte sie sich Sorgen.
»Nur ein paar leichte Erfrierungen, sonst nichts.« Maeve deutete auf die Besatzungsmitglieder der
Ice Hunter,
die gerade ein Beiboot zu Wasser ließen. »Ich komme mit rüber und nehm dich am Fuß der Leiter in Empfang.«
»Ich warte auf dich.« Deirdre lächelte vor sich hin und kehrte ins Ruderhaus zurück, wo Pitt über Funk mit Dempsey redete.
Er nickte und lächelte ihr zu, ehe er das Gespräch beendete.
»Dempsey sagt, daß Maeve rüberkommt.«
Deirdre nickte. »Sie war überrascht, als sie mich gesehen hat.«
»Ein glücklicher Zufall«, sagte Pitt, dem zum erstenmal auffiel, daß Deirdre annähernd so groß war wie er, »daß die einzigen überlebenden Besatzungsmitglieder zwei Freundinnen sind.«
Deirdre zuckte die Achseln. »Als Freundinnen kann man uns wohl kaum bezeichnen.«
Verwundert schaute er in ihre braunen Augen, die in der durch die Fenster einfallenden Sonne glitzerten. »Sie mögen einander nicht?«
»Es muß bei uns im Blut liegen«, sagte sie nüchtern. »Wissen Sie, wir haben zwar einen anderen Familiennamen, aber trotzdem sind Maeve Fletcher und ich Schwestern.«
10
Die See war angenehm ruhig, als die
Ice Hunter
, gefolgt von der
Polar Queen,
in die schützende Bucht Duse Bay einlief und vor der britischen Forschungsstation die Anker auswarf. Dempsey stand auf der Brücke und wies der Notbesatzung an Bord des Kreuzfahrtschiffes einen Ankerplatz zu, der ein ordentliches Stück entfernt war, damit sich die beiden Schiffe in der Dünung nicht ins Gehege kamen.
Pitt war immer noch wach, obwohl er sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte – er hatte Sandeckers Befehl mißachtet und sich nicht aufs Ohr gelegt. Auch nachdem er dem Bergungstrupp die Bedienung der
Polar Queen
überlassen hatte, mußte er sich noch um hunderterlei Sachen kümmern. Zunächst setzte er Deirdre Dorsett zu Maeve ins Boot und schickte beide zur
Ice Hunter
.
Dann brachte er den Großteil der taghellen antarktischen Sommernacht damit zu, das Schiff noch einmal gründlich zu durchsuchen, wobei er immerhin die toten Besatzungsmitglieder fand, die ihm bei seiner ersten kurzen Erkundung entgangen waren. Er stellte die Heizungsanlage des Schiffes ab, damit die Leichen bis zur Obduktion besser erhalten blieben, und erst als die
Polar Queen
sicher im Schutz der Bucht vor Anker lag, gab er das Kommando ab und kehrte zum Forschungsschiff der NUMA zurück. Giordino und Dempsey nahmen ihn im Ruderhaus in Empfang und gratulierten ihm. Giordino sah auf den ersten Blick, wie erschöpft Pitt war, und goß ihm rasch eine Tasse Kaffee aus der großen Kanne ein, die im Ruderhaus ständig vor sich hin köchelte. Pitt nahm sie dankbar an, trank das dampfende Gebräu und starrte über den Tassenrand hinweg auf ein kleines Boot mit Außenbordmotor, das auf das Schiff zugerast kam.
Die
Ice Hunter
hatte kaum die Anker ausgeworfen, als die Vertreter von Ruppert & Saunders, die gerade aus dem Flugzeug gestiegen waren, schon in einem Zodiac saßen und sich von der Küste aus herüberbringen ließen. Wenige Minuten später stiegen sie über das Fallreep herauf und kamen auf die Brücke, wo sie von Pitt, Dempsey und Giordino erwartet wurden. Einer der Männer nahm drei Stufen auf einmal, hielt inne und musterte die vor ihm stehenden Männer. Er war groß und stämmig, hatte ein rotes Gesicht und grinste über beide Backen.
»Kapitän Dempsey?« fragte er.
Dempsey trat einen Schritt vor und streckte die Hand aus.
»Das bin ich.«
»Kapitän Ian Ryan, Organisationsleiter bei Ruppert &
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