Schön scheußlich
tropischen Regenwaldes. Auch veranlasst wieder erwachtes gärtnerisches Interesse für Orchideenkulturen Pflanzenwilderer, die Wälder zu plündern und gefährdete Arten illegal an irgendwe1che besessenen Sammler zu verkaufen, die sich mit den Standardsorten aus den Gewächshäusern ihrer Gärtner nicht zufrieden geben wollen. Orchideen haben »SnobAppeal«, wie es ein Gartenbaumeister am Brooklyn Botanical Garden ausdrückt, und Snobs bereitet es offenbar Befriedigung, das eine, einzige, letzte und schönste Exemplar seiner Art zu besitzen.
Natürlich liegt die Schönheit oftmals im Auge des Betrachters. Manche Orchideen riechen wie Bienen und sehen auch so aus - und wirken auf diese Weise unwiderstehlich verführerisch auf herumstreunende Drohnen. Andere sehen Wespenweibchen dermaßen ähnlich, dass die Männchen der Art sie wieder und wieder belästigen und so mit jedem Akt dieser so genannten Pseudokopulation dicke Pollensäckchen abwechselnd holen und bringen. Diese verwegene artistische Übung mag zwar nicht zur Wespenvaterschaft führen, aber sie trägt dazu bei, das Spermienäquivalent (den Pollen) der einen Orchideenblüte zum eierstockähnlichen Gebilde (zum Fruchtknoten) einer anderen zu tragen und so eine Befruchtung zu ermöglichen.
Eine andere Orchidee strömt den Geruch von faulendem Fleisch aus und lockt so jede Schmeißfliege in der Nachbarschaft an. Wieder andere ahmen Pracht und Duft anderer Pflanzenarten nach, die in bester Tradition pflanzlicher Gastfreundschaft Insekten mit einem Schlückchen Nektar auf einen Besuch zu sich locken. Die knauserigen Orchideen aber machen sich nicht die Mühe, jenen kostbaren Trunk zu brauen. Sie belohnen eine Biene, die dumm genug war, auf den Schwindel hereinzufallen, vielmehr mit nichts weiter als einem klebrigen Pollenpäckchen. Manche Bienen krabbeln dermaßen mit Pollen beladen aus einer Orchidee hervor, dass sie kaum mehr fliegen können.
Die Ähnlichkeiten zwischen einer Orchidee und dem Tier oder der Pflanze, die sie nachäffen, werfen ein Licht darauf, wie andere Geschöpfe die Welt um sich herum sehen und welche sensorischen Fähigkeiten ihnen eigen sind. Hat das bestäubende Wesen eine Vorliebe für Farbmuster, so wird eine Orchidee im Lauf ihrer Evolution ein atemberaubendes Farbmuster entwickeln. Ist der Bestäuber chemosensitiv, wird sie mit einer Chemikalie aufwarten - oder auch mit einer bestimmten Form, wenn es das ist, was den erwünschten Besucher anmacht.
Manche Orchideen bieten einem besonders notwendigen Bestäuber, der für sie Pollen von einer Pflanze zur anderen bringt, tatsächlich auch eine Nektarprämie, aber die Blüten sind anspruchsvoll und konzentrieren ihre Bemühungen darauf, einen ganz speziellen Boten für sich zu gewinnen. Eine Orchideenart namens Angraecum sesquipedale, die in Afrika und Madagaskar heimisch ist, setzt in den Abendstunden eine Wolke von Jasminduft frei, um einen ganz bestimmten Falter anzulocken, der erst mit Einbruch der Dunkelheit aktiv wird. Dieser Falter besitzt einen fast dreißig Zentimeter langen Rüssel, mit dem er bis auf den Blütengrund reichen kann, wo Nektar und Pollen bereit liegen.
Eine ähnlich großzügige Art, die in Mittel-und Südamerika vorkommt, produziert ein ätherisches Öl, wie es die Männchen einer bestimmten Bienenart benötigen, wenn sie ein Weibchen freien wollen. Sind die Männchen auf der Pflanze gelandet, fegen sie mit kleinen Bürsten an den Vorderbeinen Tröpfchen dieser kostbaren Flüssigkeit zusammen, die sie dann in ihren hohlen Hinterbeinen aufbewahren, um sie später als Lockmittel für die Weibchen freizusetzen. Auch bei ihnen resultiert der enge Kontakt zu den Orchideenblüten in der Übertragung von Pollen.
Doch solch liebendes Übereinkommen hinsichtlich der jeweiligen Vorhaben ist selten, und die meisten Orchideen sind erbarmungslose Scharlatane. Schon ihr Name, Orchidee, ist irreführend. Angesichts der knubbeligen Verdickungen am Grund eines Orchideensprosses und in der festen Vorstellung, dass die Pflanze aus diesen Knollen hervorgegangen sein müsse, benannten die alten Griechen die Pflanze mit ihrem Begriff für die Quelle des menschlichen Samens: Orchis (Hoden). Aber diese Verdickungen sind weder Samenbehälter noch echte Knollen oder Zwiebeln in dem Sinn wie etwa eine Tulpenzwiebel, aus der sich ein Tulpenkeimling allmählich entfaltet. Bei den Orchideen dient diese Struktur lediglich der Speicherung von Wasser und Nährstoffen.
Bei den Orchideen ist
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