Schön scheußlich
dass weibliche Skorpionsfliegen symmetrische Männchen größeren Männchen mit asymmetrischen Flügeln vorzogen.
Die Arbeiten zur Symmetrie passten gut in die wissenschaftliche Vorstellung von der Art und Weise, wie Krankheit und Verschmutzung die tierische Entwicklung beeinflussen. Fische, die in verschmutzten Gewässern leben, bringen asymmetrisch geformte Nachkommen hervor. Warum sollte ein Weibchen nicht die Gesamtkonstitution seines Partners einzuschätzen versuchen, indem es dessen' Symmetrie unter die Lupe nimmt? Auf der Suche nach Beweisen dafür, dass symmetrische Tiere in der Tat robuster sind als ihre leicht unproportionierten Gefährten, stellte Dr. Möller fest, dass Rauchschwalben mit symmetrischem Schwanzgefieder weniger leicht mit Parasiten infiziert werden als Männchen mit asymmetrischen Schwänzen. In Laborexperimenten stellte sich überdies heraus, dass die Immunzellen von symmetrisch gebauten Männchen vergleichsweise widerstandsfähiger sind. Untersuchungen an Staren haben ergeben, dass sich bei Vögeln die Symmetrie des Gefieders durch die Gabe von mehr oder weniger Futter während der Mauser beeinflussen lässt. Je weniger Futter ein Vogel erhielt, desto weniger wohlproportioniert fiel sein Gefieder im Folgejahr aus. Die Ausgewogenheit des Gefieders scheint damit ein praktisches und überaus empfindliches Barometer für den Gesundheitszustand eines Vogels während der laufenden Saison zu sein: Je symmetrischer das Gefieder, desto besser genährt ist das Männchen, und damit ist es vermutlich auch ein umso besserer Versorger - denn wer den Tag mit einem guten Frühstück beginnt, verspürt vermutlich am Nachmittag mehr Energie als derjenige, der diese Mahlzeit auslässt.
Die offensichtlichen positiven Aspekte der Symmetrie sind jedoch nicht allein auf Männchen beschränkt. Die symmetrischsten Skorpionsfliegenweibchen scheinen zugleich auch die geschicktesten zu sein, wenn es darum geht, Nahrung zu sammeln und zu horten, Konkurrenten abzuwehren, Artgenossen zu dominieren und sich alles in allem als Mitglieder einer herrschenden Klasse aufzuführen.
Und beim Menschen bildet Schönheit ohnehin das größte Machtpotenzial für Frauen. Eine Frau mit hübschen, harmonischen Gesichtszügen wird geliebt, beneidet und als Liebling der Götter erklärt - zumindest so lange, bis das Meisterstück Schritt für Schritt den asymmetrischen Übergriffen des Alters anheim fällt.
8.
Die großartige Strategie der Orchideen
Ihr ganzes Leben ist einzig darauf ausgerichtet, dass jeden Tag ein Sauger daherkommt, einer mit Flügeln, Thorax und dem unstillbaren Durst nach Nektar und Liebe. Die Rede ist von Orchideen, Blüten von so schillernder Färbung und so verführerischer Gestalt, dass man sie mit Fug und Recht als durch und durch dekadent bezeichnen mag. Und was ihre Tücken der Täuschung und Verführung bestäubender Insekten angeht, so lässt ihre Dekadenz einen Oscar Wilde neben sich verblassen.
Die Orchideen bilden eine der größten Pflanzenfamilien; sie umfasst über dreißigtausend Arten. Ihre Blüten gehören zu dem Kunstvollsten, das die Natur an Täuschungen zu bieten hat, und sie haben sich, was Farbe und Geruch, Form und Gesamtbaupläne angeht, ein derart exquisites Repertoire an Verkleidungen zugelegt, dass sie für Botaniker und Evolutionsbiologen noch immer ein Füllhorn an Überraschungen bieten. Charles Darwin war von den Orchideen derart hingerissen, dass er ihren Vermehrungsstrategien ein ganzes Buch widmete.
Doch erst in unserer Zeit beginnen die Biologen zu erkennen, warum die Blüten solche Meister der Verstellung sind und wie sie sich von anderen Pflanzen bezüglich so entscheidender Fragen wie Fruchtbarkeit, Lebensspanne und Stellung im Ökosystem unterscheiden. Feine Unterschiede in der Biologie erklären, warum manche Organismen sich früh und häufig fortpflanzen, während andere einen bedächtigeren und weitsichtigeren Ansatz zur Absicherung ihrer genetischen Hinterlassenschaft wählen. Da die meisten Orchideen von Natur aus seltene Arten sind, vermitteln ihre Strategien wertvolle Einblicke in tropische und andere der fragileren Habitate unseres Planeten, wo sich des Lebens Fülle in Zehntausenden von ungewöhnlichen Tieren und Blüten zeigt.
Etliche Wissenschaftler sind eifrig darum bemüht, Orchideen zu untersuchen, bevor die exotischsten tropischen Arten ein für alle Mal verschwunden sind. Orchideen leiden nicht nur unter der Dezimierung ihres Lebensraumes, des
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