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Schön scheußlich

Schön scheußlich

Titel: Schön scheußlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Angier
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kann. Im Verlauf des Tanzes muss er das Weibchen zu diesem Stock hinüberzerren, sein Sperma freisetzen und dann versuchen, das Weibchen in die richtige Position auf dem Stock zu bringen. Schließlich gibt das Weibchen seine von ähnlichen Sinnesorganen umgebene Genitalöffnung frei und nimmt das Spermienpaket auf. Die Pheromonsensoren des Männchens teilen diesem außerdem mit, wann .das Weibchen den Verkehr beendet hat und im Begriff ist, für die kleine Mahlzeit danach zum Angriff überzugehen. Es versucht auf der Stelle, sich von ihm freizumachen und zu fliehen, doch in zehn bis zwanzig Prozent aller Fälle ist es nicht schnell genug und wird gefressen.
    Die meisten Skorpione sind einander derart feindselig gesinnt, dass die Skorpionforscher gern mehr über die Handvoll Riesenarten wissen würden, die in relativer Harmonie miteinander leben und der Versuchung widerstehen, ihre Angehörigen aufzufressen. Vielleicht verfügen diese kooperativen Arten über ein verbindendes Pheromon, das sie daran hindert, sich gegenseitig anzugreifen, und sie sozial verträglicher sein lässt. Eine solche Frieden stiftende Substanz könnte eine recht nützliche Entdeckung sein.
    Die Vorstellung von einem Kooperationspheromon hat etwas für sich, doch kann man nur hoffen, dass der Skorpion, auch wenn die Wissenschaftler es fertig bringen sollten, diese Substanz zu isolieren, nichts von seinem Ruf als rücksichtsloser Kämpfer und unerbittlicher Kannibale, als Sexualathlet und Handlanger des Teufels einbüßen wird. Diesem Methusalem unter den wirbellosen Tieren sei es zumindest gegönnt, dass er alle Versuche, seinen fantastisch schlechten Namen von aller Schmach zu reinigen, ungerührt überdauere.

17.
Parasiten und Sex
     
     
    Bei den alten Griechen stand das Wort Parasit für jemanden, der sich vom Tisch des anderen ernährte. Doch weit davon entfernt, sich zum Essen mit allem Anstand bei Tisch niederzulassen, saugen die meisten unserer Parasiten unser Blut und nippen an den Verdauungssäften unserer Gedärme, sie bohren sich in die nahrhafte Wärme unseres Muskelgewebes. Sie lassen ihre unfreiwilligen Gastgeber auf jede erdenkliche Weise zur Ader und beuten deren Körperflüssigkeiten und Leistungen rücksichtslos aus. Trotz all ihrer abstoßenden Züge verdienen Würmer, Milben, Pilze, Viren und das ganze übrige Verbrecheralbum an parasitischen Organismen, die ihre Nährstoffe von einer größeren Art beziehen, jedoch ein paar Augenblicke der Wertschätzung. Sie mögen auf Kosten anderer leben, mögen versuchen, den eigenen Aufwand gering zu halten, indem sie unsereinen ausbeuten, und viele von ihnen sind winzig genug, um in einer einzelnen Zelle Platz zu finden - aber im großen Theater der Evolution sind sie wahre Riesen.
    Viele herausragende Merkmale, die wir an der bunten Palette von Tier-und Pflanzenarten beobachten, haben sich im Lauf der Evolution als Antwort auf den unablässigen Druck von Parasiten entwickelt, die jeden Quadratpikometer pflanzlicher und tierischer Gewebe zu erobern und auszubeuten bereit sind. Die Notwendigkeit, Parasiten aus dem Weg zu gehen, war die treibende Kraft, die manche Vogel-, Fisch-und Säugerarten migratorisch werden ließ oder sie dazu brachte, Teile des Jahres in Abgeschiedenheit und Isolation von ihren womöglich krankheitsgeplagten Artgenossen zu verbringen.
    Mag es auch eine natürliche Reaktion sein, mit den belagerten Wirten auf der ganzen Welt zu sympathisieren, so lassen Sie uns doch einmal einen Moment lang das Leben aus der Perspektive des Parasiten betrachten. Bei ihren Versuchen zu verstehen, warum manche Parasitenarten Zyklen aus mehreren unterschiedlichen Lebensstadien durchlaufen und dabei von einem Wirt zum anderen springen, haben die Wissenschaftler makabre Beispiele der Beziehung zwischen Parasiten und Wirt aufgedeckt. So gibt es beispielsweise zwei eng miteinander verwandte Arten von parasitischen Würmern, die beide imstande sind, das Verhalten von Mäusen ihren eigenen Bedürfnissen entsprechend zu manipulieren. Der eine Wurm macht die Maus hyperaktiv und lässt sie wie wild durchs Feld toben, auf dass sie die Aufmerksamkeit eines Raubvogels errege. Der Vogel verspeist mit der Maus auch den Wurm und bietet so den Larven des Parasiten das gewünschte Zuhause. Der andere Wurm hingegen lässt die Maus träge werden und erhöht so die Chance, dass sie den Fleisch fressenden Säugetieren zum Opfer fällt, die dieser Wurm als zweite Herberge bevorzugt.
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