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Schön scheußlich

Schön scheußlich

Titel: Schön scheußlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Angier
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einem Stück Feuchtbiotop, dem faulenden Stamm eines alten Mammutbaums nicht unähnlich, wenngleich dankenswerterweise weit kurzlebiger. Für Skarabäen lässt sich trefflich sagen, dass rostet, wer rastet: Zehntausende von Mistkäfern aus über 161 Arten machen sich über einen einzigen großen Dungfladen her, kaum dass er den Erdboden erreicht hat, und schaffen ihn binnen Stunden oder gar binnen Minuten beiseite.
    Der Artenreichtum der Käfer, die zu einem einsamen Wiesenstück strömen, übertrifft alles, was man je erwartet oder auch nur für möglich erachtet hätte, und die Wissenschaft hat in jüngster Zeit begonnen, ein paar lieb gewordene Vorstellungen zu überdenken, wie Tiere um begrenzte Ressourcen wetteifern und wodurch Erfolg oder Misserfolg in einern unsicheren Berufszweig wie dem der Abfallwirtschaft bedingt sind. Sie hat gelernt, dass Käfer im Lauf der Evolution ein Riesenarsenal an Methoden entwickelt haben, wie sich so rasch wie möglich so viel Mist wie möglich anhäufen und zum eigenen Nutzen beziehungsweise dem des eigenen Nachwuchses manipulieren lässt und wie unliebsame Konkurrenz von dem hart erworbenen Gut fern gehalten werden kann.
    Zufälle und Umstände spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, wer die begehrte Ressource als Erstes erreicht und wer das meiste aus ihr machen kann. Das über die Mistkäfergemeinschaft angesammelte Wissen hat den Wissenschaftlern einen besseren Einblick in die Frage verschafft, wie Arten um konventionellere Ressourcen als Mist, also um Pflanzen oder Beutetiere, konkurrieren. Viele der pikantesten Enthüllungen haben Ilkka Hanski und Yves Cambefort in dem Buch Dung Beetle Ecology (»Mistkäfer-Ökologie«) zusammengetragen. Dieses in manchen Teilen etwas technisch geratene Buch voller Grafiken und Tabellen bringt es trotz alledem fertig, einen Käfer, mit dem man sich zuvor womöglich nur widerstrebend befasst hätte, zu einem Insekt von solchen Verdiensten, solchem Ansehen und Charme zu verwandeln, dass einem einzig der Wunsch bleibt, es möge einen Katalog geben, aus dem man eine Großbestellung von ein paar hunderttausend Käfern zur gefälligen Verteilung auf der lokalen Piste für Hundebesitzer beispielsweise oder rund ums Rathaus - tätigen könnte.
    Mistkäfer gehören in vieler Hinsicht zu den größten Wohltätern der Menschheit. Sie entfernen den Mist nicht nur aus unserem Blick-, Geruchs-und Wirkungsfeld, sondern sie fügen durch ihre Gewohnheit, alles zu vergraben, was sie nicht unmittelbar verzehren, dem Erdreich Stickstoff zu, der anderweitig womöglich an die Atmosphäre verloren ginge. Genau wie Regenwürmer wühlen diese Käfer den Boden um und belüften ihn; sie erhöhen seinen Wert für die Ansiedlung von Pflanzen. Ihre Larven vertilgen die im Mist enthaltenen parasitischen Würmer und Maden und tragen so dazu bei, krankheitsübertragende Kleinorganismen einzudämmen.
    In den Reihen der Käfer können Skarabäen mit Fug und Recht als außerordentlich zivilisiert gelten. In Afrika und Südamerika, wo einige Arten die Größe einer Aprikose erreichen, tun sich die Käfer teilweise zu Paaren zusammen und gründen, Vögeln ähnlich, eine Familie. Sie graben raffinierte unterirdische Brutkammern und versorgen diese mit Dungballen, die dem Schutz und der Ernährung ihrer Jungen dienen. Auch sind diese Dungballen keineswegs rasch hingeworfene Dreckklumpen: Mit einer geometrischen Kunstfertigkeit, die an einen Hans Arp heranreicht, setzen die Käfer Beine und Mundwerkzeuge ein, um frisch abgelegten Kot zu runden Dungballen oder bauchigen Brutbirnen zu formen, deren Umfang oftmals den ihres Schöpfers um das Hundertfache übertrifft. Manche Käfer umhüllen die Ballen sogar mit Lehm. Ihre Kugeln sind so groß und rund, dass sie wie von Maschinen gefertigt aussehen. Es ist vorgekommen, dass Leute, die solche Ballen ausgegraben haben, sie für Kanonenkugeln hielten.
    Unermüdlich emsig im Team arbeitend, rollen die Käfer jeden Ballen vom Kotfladen weg und in ihre unterirdische Brutkammer. Das Weibchen legt in jede Brutbirne ein einzelnes Ei. Bei den größten Arten gibt es manchmal nur eine Brutbirne, das heißt einen Sprössling pro Paar - ein für ein Mitglied der Klasse Insecta erstaunliches Maß an Selbstbeschränkung, sind deren Angehörige doch traditionell eher für ihre außerordentliche Fruchtbarkeit bekannt.
    Sicher in seinen runden Kokon verpackt ernährt sich die Käferlarve von dem Dungvorrat. Während der

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