Schön scheußlich
dem Verzehr zu schützen. Die Käfer gehen den Weg des geringsten Widerstands.
Mistkäfer mögen die Losung großer Säugetiere bevorzugen, doch als sie vor mehr als dreihundertfünfzig Millionen Jahren entstanden sind, gab es diese Tiere noch nicht. Wissenschaftler spekulieren, dass ihre Vorfahren sich von Dinosaurierdung ernährt haben, doch bislang hat man noch nirgends einen versteinerten Dinosaurierfladen mit fossilen Käfern darin gefunden. Mit dem Aufstieg und der Verbreitung der großen Säugetiere rund um die Welt nahm auch die Vielfalt und Anzahl an Scarabaeiden zu. Beide Ereignisse liefen, wie man heute weiß, parallel ab, und manche Wissenschaftler sind der Ansicht, dass die Großsäuger ohne die Hilfe von Käfern, die ihren Abfall wegräumten und damit gleichzeitig den Pflanzen, von denen sie sich ernährten, die Chance gaben zu wachsen, niemals eine solche Populationsdichte erreicht hätten, wie man sie heute an Orten wie der afrikanischen Savanne beobachtet. Sie sind Schlüsselorganismen für die Umwelt.
Mit dem Anbruch einer Kultur des Ackerbaus und der Domestikation von massenhaft Dung produzierenden Tieren haben auch die Menschen den Wert der Käfer erkannt, wobei die alten Ägypter in ihrer Verehrung am weitesten gingen. Ein Forscher hat sogar die Vermutung geäußert, dass die ägyptische Tradition der Mumifizierung von Königen und deren Bestattung in Pyramiden dem Vergraben einer Käferlarve in einem Brutballen nachempfunden ist. So wie der Käfer aus dem Erdreich zu neuem Leben ersteht, so sollte nach Ansicht der Ägypter auch ihr Pharao aus seinem begrabenen Kokon wieder geboren werden. Die großen Pyramiden von Giseh ließen sich somit als glorifizierte Dunghaufen verstehen.
Die Wohltaten der Skarabäen sind auch in unserer Zeit nicht unbemerkt geblieben. Das Buch Dung Beetle Ecology erinnert unter anderem an das ehrgeizige und großenteils erfolgreiche Bestreben der australischen Regierung, Tausende exotischer Kot-und Dungkäfer zu importieren, die die Berge von Dung beiseite schaffen sollten, die durch die Schaf-und Rinderzucht anfielen. Schafe und Rinder waren im Verlauf der vergangenen zwei Jahrhunderte auf den Kontinent gebracht worden, und die heimischen australischen Dungkäfer, die die mundgerechten Portionen an Känguru-und Koala-Dung gewöhnt waren, wurden mit dem ungeheuer großen Anfall durch die fremden Tiere nicht fertig. In den sechziger Jahren erreichte das Fäkalienproblem krisenhafte Ausmaße, und die gefürchteten heimischen Kotfliegen, die ihre Eier in tierische Exkremente legen, hatten sich derartig vermehrt, dass sich der berühmte »australische Gruß« entwickelte: eine kurze Handbewegung, um die Fliegen aus dem Gesicht zu scheuchen. Doch mit der Einführung von zwei Dutzend Käferarten aus Asien, Europa und Afrika ging das Dungproblem deutlich zurück. In den letzten Jahren sind manche Teile Süd-und Westaustraliens nahezu völlig frei von in Dung brütenden Fliegen, und Weiden, die einst mit einer durchgehenden Kuhmistschicht bedeckt waren, sind zu neuem Nutzen ergrünt.
Auch in theoretischer Hinsicht haben die Ökologen eine Menge von den Käfern gelernt. Wissenschaftler waren traditionell der Überzeugung gewesen, dass in einer ökologischen Nische nicht mehrere Arten zugleich existieren könnten, ohne dass diese sich in ihrer Nutzung der vorhandenen Ressourcen voneinander unterschieden. Einer mathematisch begründeten Regel zufolge musste letztlich immer ein Konkurrent über die anderen triumphieren.
Doch in Anbetracht der Vielfalt an Mistkäfern, die auf einem einzigen Fladen zu Haus? sind, scheint sich die Natur nicht an diese Regel zu halten. Insektenforscher, die sich mit Käfern befassen, haben erkannt, dass Dung ein paar unvergleichliche Qualitäten besitzt. Er ist weitaus kurzlebiger als beispielsweise ein blumenbestandenes Fleckchen Erde oder der Bau eines Nagetieres - er ist schnell da und schnell wieder weg. Und seine Verteilung ist ganz und gar zufällig. Sie gehorcht keinerlei definierbaren Regeln darüber, wann oder wo er vermutlich zu finden sein wird. Den meisten Tieren ist alles und jedes als Örtchen willkommen.
Aus diesem Grund muss in jede Berechnung zur Dynamik der Mistkäferpopulation ein starkes Element des Zufalls eingehen. Und es hat sich gezeigt, dass Zufall dem gleichzeitigen Überleben mehrerer konkurrierender Arten durchaus förderlich ist. Einige der größeren Dungkäferarten sind vielleicht von Natur aus talentierter als andere
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