Schön scheußlich
monatelangen Entwicklung des Jungen bleibt die Mutter in der Nähe und betreut die Brutbirnen mit ausgesuchter Sorgfalt, reinigt sie von Schimmel und anderen toxischen Pilzen, um sicherzustellen, dass ihr Junges überlebt, bis es den Brutkasten als ausgewachsenes Tier verlässt.
Andere Skarabäen sind hoch spezialisiert. Ihre Gewohnheiten sind auf die Ernte der Hinterlassenschaften einer ganz speziellen Säugetierart maßgeschneidert. Diese Käfer heften sich an das Bauchfell eines Faultiers oder einzelner Känguruarten. Sie warten auf den Augenblick, in dem - die Säugerverdauung ihr Endstadium erreicht, und springen dann in der Luft auf den herabfallenden Kot auf. Manche Käfer ernähren sich einzig und allein von Giraffenkot, andere von den Exkrementen der Wildschweine. Einige Käfer in Panama fliegen allmorgendlich in die Baumwipfel hinauf, in denen die Brüllaffen nächtigen. Sie warten, bis die Primaten erwachen und ihr morgendliches Geschäft erledigen, huschen flink auf deren Losung und segeln zusammen mit dieser dreißig Meter in die Tiefe, wo sie ihre Errungenschaft dann vergraben können.
Die meisten Mistkäfer aber sind Generalisten und können sich ihre Mahlzeit und ihre Brutkammerausstattung aus jedem beliebigen Dung herstellen. Von heißestem Interesse für die Mistkäfer sind die großzügig bemessenen Fladen großer Pflanzenfresser - Tiere, die sich aufgrund ihres Verdauungssystems häufig entleeren müssen. Eine durchschnittliche Kuh produziert pro Tag zehn bis fünfzehn große Fladen. Elefanten haben pro Stunde um die vier Pfund Mist zu bieten, und Letzterer kann sich binnen kurzem in ein wahres Käfer-Manhattan verwandeln, in dem verschiedene Arten eine beeindruckende Vielfalt an Strategien verfolgen. Große Skarabäen schaffen riesige Ballen zu ihren meterweit entfernten Brutkammern, wobei sie sie manchmal über Stock und Stein rollen. Kleinere Pillendreher trudeln mit gemäßigteren Portionen von dannen. Die Angehörigen einer Käfergattung vergraben große Dungmengen unmittelbar unter dem Fladen, andere stecknadelkopfgroße Vertreter leben in seinem Inneren und tun sich noch daran gütlich, wenn er bereits einzutrocknen begonnen hat und den größeren, aggressiveren Pillendrehern nicht mehr viel nutzt. Räuberische Arten schleichen sich heran und versuchen, die von anderen mühsam geformten Dungballen zu stehlen. Mitten im Getümmel finden sich auch viele Arten von Dung verzehrenden Fliegen. Die Szene erinnert an eine Kantinentheke zur Mittagszeit, wenn alle Vertreter sich etwas zu essen krallen und damit zu ihrem Tisch ziehen. Obendrein ist so ein Dunghaufen auch so etwas wie eine Singlebar, wo sich Käfer treffen können, die auf Partnersuche sind, und wo sie mit dem gemeinsamen Unterfangen, alle Zutaten für ihr Nest zusammenzusuchen, auf der Stelle beginnen können. Einige der größeren Arten verwenden den Dung in ihren Balztänzen: Das Männchen hebt ein besonders prachtvoll gerolltes Kotstückchen hoch und wedelt damit dem Weibchen provokativ vor der Nase herum.
All das bedeutet, dass nur wenig Dung verloren geht. Ein afrikanisches Forscherteam berichtet, auf einer einzigen Ladung Elefantendung sechzehntausend Käfer gezählt zu haben. Als die Wissenschaftler nach zwei Stunden zurückkehrten, war der Dunghaufen verschwunden. Der Ansporn zur Eile ist beträchtlich. Nicht nur, dass jeder Käfer bestrebt ist, sich mit dem größten Stück Kuchen davonzumachen - auf ihren Beutezügen zu einem exponierten Dunghaufen bieten sie überdies zahlreichen Insektenfressern ein verführerisches Ziel. Häufig sieht man Vögel, Mungos, Affen und andere kleine Tiere in Dunghaufen herumstochern, und dies sicher nicht, weil sie selbst zu Koprophagen geworden wären. Manche Käfer schützen sich durch irreführende Verkleidungen. Ein Spezialist, der sich von Elefantendung ernährt, ähnelt beispielsweise einem unverdauten Holzstückchen.
Grund für die Vielfalt an Mistkäfern ist die Ressource, von der sie sich ernähren. Es mag schwer zu fassen sein, doch Dung hat eine Menge für sich: Die meisten Säugetiere verdauen nur einen Bruchteil der von ihnen aufgenommenen Nahrung, und das, was sie übrig lassen, ist noch immer überaus reich an Proteinen, Nährstoffen, Bakterien, Hefen und anderen Nahrungsmitteln. Und das Beste von allem: Dung ist einfach zu handhaben. Tiere wehren sich gegen Möchtegernräuber, Pflanzen produzieren Gifte, um Pflanzenfresser abzuschrecken, Dung aber tut nichts, um sich vor
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