Schön scheußlich
potenzielle Räuber durch ein geräuschvolles Fauchen abzuschrecken versucht, das dadurch entsteht, dass sie Luft durch einige Löcher in ihrem Brustpanzer entweichen lässt. Dass sie ein so beliebtes Haustier abgibt, liegt unter anderem daran, dass ihre Außenhaut panzerähnlich fest ist und sich daher gut anfassen und auch streicheln lässt. Die meisten anderen Schaben sind im Gegensatz dazu mit einer Ölschicht bedeckt, die es ihnen erleichtert, in haarfeine Risse hineinzuschlüpfen.
Die physiologisch beeindruckendste aller Schaben ist die Art Diploptera punctata. Die Weibchen tragen ihre Jungen lebend aus und nicht in einem Eisack. Sie ist die einzige Insektenart, von der man weiß, dass sie ihre Jungen in einer Art Gebärmutter nährt. Die Innenschicht der Bruttasche beherbergt bis zu zwölf Schabenbabys zugleich und sondert eine Substanz ab, die von manchen Leuten auch als Schabenmilch bezeichnet wird. Genau wie die Milch der Säugetiere ist sie reich an Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten. Sobald die Embryos einen voll entwickelten Verdauungstrakt besitzen, beginnt die Mutter Milch zu produzieren, und die Embryonen nehmen die Flüssigkeit über die Mundöffnung auf.
Während manche Schaben im Lauf der Evolution ein ausgeklügeltes System mütterlicher Pflege entwickelten, haben sich andere für eine erhöhte Fruchtbarkeit und für höchstmögliche Flexibilität ihres Verhaltens entschieden. Dies sind die Arten, die uns Menschen so verhasst sind. Nur zwanzig Schabenarten gelten als Schädlinge, und nur zwei von diesen, die Hausschabe und die Amerikanische Großschabe, sind weithin bekannt. Diese beiden Schädlingsarten sind mit ihrer Strategie der Wohngemeinschaft mit dem Menschen dermaßen gut gefahren, dass sie keine unabhängige Existenz mehr führen und keinerlei wildlebende Artgenossen mehr haben. Wann immer Wissenschaftler glaubten, über eine frei lebende Haus-oder Großschabe gestolpert zu sein, fand sich früher oder später ein Haus in der Nähe. Die kleinere Hausschabe ist ein ungemein effizienter Brüter und in der Lage, alle drei Wochen dreißig bis vierzig Jungschaben in die Welt zu setzen. ließe man die Population sich unkontrolliert vermehren, könnte ein einzelnes Hausschabenweibchen am Ende ihrer zweijährigen Lebensspanne auf eine Nachkommenschaft von vierzig Millionen Tieren blicken.
Die Insekten wachsen rasch heran und häuten sich entsprechend häufig, weshalb Schaben für Allergiker ein echtes Gesundheitsrisiko darstellen können. Über fünfzehn Millionen Amerikaner leiden unter einer Schabenallergie, bei der das Immunsystem eine übereifrige Verteidigungsreaktion gegen winzige, in der Luft umherwirbelnde Partikel abgeworfener Schabenhaut zeigt. Oftmals verschlimmern sich diese Allergien mit der Zeit und fortgesetzter Konfrontation mit dem Allergen, und Insektenforscher, die mit Schaben arbeiten, berichten nach Jahren der Forschung über asthmatische Beschwerden, Hautreizungen und Nebenhöhlenprobleme.
Aus diesem Grund und auch, weil die Möglichkeit besteht, dass Schaben die unappetitlichen Mikroben übertragen, die sie huckepack mit sich herumschleppen, verbringen selbst Entomologen, die diese Insekten in freier Wildbahn schätzen, einen Teil ihrer Zeit damit, bessere Möglichkeiten zu entwerfen, der Plage Herr zu werden. Um herauszufinden, wo und warum Schaben zusammenkommen, entwarf ein Wissenschaftlerteam ein ganzes Scheinhaus. Dessen zweihundert Sensoren überwachten alle fünfundsechzig Sekunden das Mikroklima an jedem erdenklichen Fleck: hinter den Wänden, unter dem Waschbecken, in den Dach-und Deckenbalken. Das durch und durch verkabelte Haus demonstrierte, dass nichts Schaben so gut fern hält wie eine gute Durchlüftung. Die Tiere bedienen sich fast schon nicht mehr messbarer Luftströmungen, um die chemischen Signale ihrer Partner wahrzunehmen. Jeder stärkere Luftzug wird jedoch die Oberfläche der Tiere austrocknen. Die beste Art, Schaben fern zu halten, bestünde also darin, das Küchenfenster offen zu lassen oder Schränke und Spülenunterschränke mit kleinen Ventilatoren zu bestücken.
Eine andere Angriffsmöglichkeit macht sich die neue Pestizidgeneration zunutze, die sich deutlich von den guten alten Sprühdosengiften unterscheidet. Die alten Pestizide bestanden zumeist aus Organophosphor-Verbindungen oder Carbamaten-potenten Neurotoxinen, die die Impulsübermittlung von einer Nervenzelle zur anderen stören. Diese Gifte wirkten jedoch nur auf eine einzige
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