Schön scheußlich
Komponente des Nervensystems, und manche Schaben hatten eine angeborene Resistenz gegen diese Art von Angriff. Die resistenten Insekten überlebten natürlich und brachten ganze Legionen an resistenten Larven zur WeIt. Die neueren Pestizide scheinen in ihrer Wirkung umfassender zu sein. Sie betreffen viele verschiedene Teile der Schaben physiologie, und es ist unwahrscheinlich, dass ein einzelnes Insekt sämtliche genetischen Voraussetzungen auf sich vereint, um dem Ansturm zu widerstehen. Der Wirkstoff in Combat beispielsweise greift auf verschiedenen Stufen in den biochemischen Prozess ein, über den eine Zelle ihre Energiespeicher nutzbar macht.
Von vielleicht noch größerer Bedeutung ist die Tatsache, dass das Toxin bei erfreulich geringen Konzentrationen wirkt. Einer der Gründe dafür, dass die Schaben womöglich Schwierigkeiten haben werden, Resistenzen gegen die Chemikalie zu entwickeln, ist die Tatsache, dass die wenigen Insekten, die das Knabbern an dem vergifteten Köder überleben, steril werden und somit ihre entgiftenden Fähigkeiten nicht an ihren Nachwuchs weitergeben können, wie dies bei den Überlebenden der älteren Pestizidgeneration möglich war.
Doch wenn Combat im Augenblick auch wirksam ist, vergessen Sie nicht, auf wessen Seite der Vorteil wirklich liegt. Schaben haben eine astronomisch hohe Reproduktionsrate und schnelle Lebenszyklen. Sie sind geduldig. Während also die Städter zu Gott beten, dass die neuen Pestizide noch für viele Jahrzehnte ihre Wirksamkeit behalten mögen, ist vielleicht leiser Zweifel angebracht, ob die Gottheit, die wir da anflehen, wirklich ein weises menschliches Gesicht und einen langen weißen Bart hat oder ob ihr Kopf nicht vielmehr ein wenig nach unten geneigt ist und sich nach hinten leicht verjüngt ...
20.
Grubenottern: grotesk, galant und giftig
Einer wütenden Klapperschlange ins Auge zu starren ist eins von den Dingen, die man nicht tun sollte, und man weiß das. Das denkende Gehirn sagt sich: »Warum haust du nicht einfach ab, Dummkopf?«, während die mehr ursprünglichen Hirnbereiche sich mit einem einfachen »Iiiiiii!« begnügen. Noch nervenzerfetzender ist es, die Rassel der Schlange zu berühren, eine kleine Kastagnette aus einem Material, das dem unserer Fingernägel ähnelt und auf geheimnisvolle Weise fünfzigmal pro Sekunde vibriert. Doch diese spezielle Schlange ist sicher verwahrt in einer Art Zaumzeug, und gehalten wird das Geschirr von Harry Greene von der University of California in Berkeley, einer weltweit führenden Autorität auf dem Gebiet der Klapperschlangen. Nachdem ich ein paar Minuten Schwanz und Flanken des Reptils gestreichelt hatte, ließ das flaue Gefühl in meinen Eingeweiden nach, und ich sah nur noch die wilde Schönheit des Tieres leuchten. Sein Körper ganz pulsierender Muskel, sein stolzer Gesichtsausdruck der eines Prinzen. Ich konnte nicht aufhören, der Schlange ins Gesicht zu starren: das Züngeln des dünnen gespaltenen Zungenbandes, die lidlosen gelben Augen. Wo habe ich dieses Gesicht schon einmal gesehen? Ich taste nach meinem Apfel.
Greene neben mir plaudert fröhlich drauflos, berichtet von der Majestät der Schlangen, von seinem Vorhaben, die Öffentlichkeit aus ihrer Angst heraus und hin zu leidenschaftlicher Begeisterung für diese Tiere zu führen, von seiner Hoffnung, dass die amerikanische Durchschnittsfamilie dereinst den Besuch einer Waldklapperschlangenhöhle als wundervolles Freizeitvergnügen für die Sommerferien betrachten wird. Ich versichere ihm, dass ich mit den Leuten in meinem Reisebüro reden werde.
Greene gehört zu einem kleinen, aber engagierten Trupp von Herpetologen, Schlangenforschern, die sich auf Grubenottern spezialisiert haben. Zu dieser Tiergruppe gehören Arten wie die Diamantenklapperschlange, die Wassermokassinschlange, die Gehörnte Klapperschlange, Kupferköpfe, die Gattung der Dreieckskopfottern und andere meist mit Widerwillen betrachtete Schlangen, die am Kopf die beiden charakteristischen Gruben tragen, denen sie ihren Familiennamen verdanken. Die Grubenotterforschung wurde lange Zeit vom Biologen-Establishment ignoriert, das Säugetiere, Vögel und sogar Insekten weit ernster nimmt als Kriechtiere, die sich zu weit unten befinden und ihren Bauch nicht vom Boden hoch bekommen. Doch hat sich dieser Forschungszweig in jüngster Zeit emanzipiert. In dem Porträt, das Greene von seinem Forschungsgegenstand zeichnet, sind Schlangen Liebende, galant und
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