Schoen wie Kaesekuchen
noch nicht da war. Ein älterer Herr mit einem weißen Rauschebart tritt ein. Er trägt eine helle, griechische Toga und seine Füße stecken in einem Paar römischen Sandalen. Die waren zwar den letzten Sommer überaus angesagt, sind aber für Männer weniger zu empfehlen. Naja, wenigstens trägt er keine Tennissocken. Seine Augen schauen gütig auf uns herab. Noch nie habe ich so strahlend blaue Augen gesehen. Eingeschüchtert senke ich den Blick. Unauffällig versuche ich ihn weiter zu mustern, während Engelbert ihn freundlich begrüßt und ihm von mir, dem Sonderfall, berichtet. Seine ganze Gestalt ist in ein glänzendes Licht gehüllt und erst nach längerem Betrachten bemerke ich, dass das Leuchten, das ihn umgibt, von einem Heiligenschein kommt. Ach du meine Güte! Treffe ich jetzt etwa auch noch einen echten Heiligen?
»Autsch!« Schon zum zweiten Mal an diesem Tag hat mich Bernd heftig in die Seite geknufft. Das soll er bloß nicht noch einmal versuchen!
»Der heilige Petrus hat dich etwas gefragt«, raunt mir Bernd so leise zu, dass es bestimmt alle hören.
»Äh, entschuldigen Sie, Eure Heiligkeit«, murmele ich, wobei ich hoffe, dass das die richtige Anrede ist. »Ich war gerade abgelenkt. Wäret Ihr so gütig, Eure Frage zu wiederholen?«
»Bonjour, Mademoiselle Monique. Je m’appelle Saint Pierre. Vous vous souvenez quelque chose?«
»Oh wie schön, Sie sprechen Französisch, Saint Pierre! Nein, tut mir leid, aber ich kann mich an gar nichts erinnern«, entgegne ich und fühle mit einem Mal ein unbeschreibliches Glücksgefühl in mir aufsteigen.
»Das habe ich schon befürchtet. Offensichtlich hat es da ein kleines Versehen gegeben, meine Liebe. Es sieht mir so aus, als ob Sie nur aufgrund einer überaus misslichen Verwechslung verstorben sind. Eigentlich sollten Sie erst im fortgeschrittenen Alter einem Herzleiden erliegen. An Ihrer Stelle sollte heute eine 85-jährige Frau Schmidt einberufen werden. Ich weiß, dass das für Sie eine sehr unangenehme Situation ist, aber was soll ich sagen? Nicht einmal der Tod ist unfehlbar. Missgeschicke passieren einfach jedem. Es hilft alles nichts, wir müssen wohl oder übel Moniques Erinnerung wiederherstellen«, sagt er zu Engelbert und Bernd. »Monique, Sie schauen jetzt bitte ganz konzentriert auf das Pendel hier«, fordert er mich auf und wedelt vor meinen Augen mit einem filigran gearbeiteten, silberfarbenen Schmuckstück herum.
Zwar glaube ich nicht an diesen Esoterikquatsch, aber das Pendel übt eine unwahrscheinlich starke Anziehungskraft auf mich aus. Nach einer kurzen Weile schaffe ich es nicht mehr, den Blick von ihm zu lösen. Wie in einer schlechten Soap sehe ich mich selbst, wie ich an diesem Morgen aufstehe, in die Küche gehe und Etienne einen Kuss gebe. Ich mache mich zum Sport fertig, gehe ans Telefon und mache mich dann alleine auf den Weg in den Grunewald Park. Dann überhole ich die alte Dame, weiche der Mutter samt Kinderwagen aus und werde von einem Lastwagen überrollt.
Waaaaaas??? Entsetzt reiße ich die Augen auf und schaue verstört in die Runde.
»Das kann doch nicht wahr sein! Ce n‘est pas possible! Ich kann unmöglich tot sein!« Verzweifelt kralle ich mich an Petrus‘ Arm fest, um nicht ohnmächtig zu werden. »Das ... das ... das kann einfach nicht sein,« stammele ich und schließe die Augen. Ich kneife mir fest in den linken Arm, in der Hoffnung, dass dieser Alptraum dann ein Ende hat. Aber statt zuhause in meinem Bett aufzuwachen, stehe ich noch immer am selben Ort und bin umringt von dem Heiligen und seinen geflügelten Begleitern. »Ihr meint das echt ernst, oder?«, frage ich in die Runde und sinke resigniert auf die Knie. Trotz der himmlischen Schwerelosigkeit, die mich vor ein paar Minuten noch so begeistert hat, habe ich das Gefühl, als würde eine zentnerschwere Last auf mir liegen. »Ich bin wirklich tot,« murmele ich vor mich hin. »Dabei wollte ich doch nur joggen gehen. Und jetzt? Alles aus und vorbei.« Die drei sehen mich mitleidig an und Petrus verpasst Bernd eine Kopfnuss, als dieser überaus taktvoll bemerkt: »Mensch Mädchen, was sage ich denn die ganze Zeit?«
»Es tut mir leid, dass Sie es auf diese Weise erfahren, Monique. Normalerweise ist es nicht nötig, den Mortaten auf so drastische Art und Weise vor Augen zu führen, was ihnen widerfahren ist. In Ihrem Fall war das aber etwas anderes. Jetzt sehen Sie wenigstens ein, dass Sie verstorben sind«, sagt Petrus, während er mir tröstend die
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