Schoen wie Kaesekuchen
finden sich hier weder verstaubte Wälzer noch kitschige Ikonen, sondern ein überaus moderner PC und ein klarlinig designter Schreibtisch. Überhaupt erwartet man in diesem Raum eher einen coolen Architekten als einen katholischen Pfarrer. Ich setze mich auf einen Stuhl, der mich an Philippe Starcke erinnert, und überlege, ob es eine kluge Idee ist, dem designaffinen Pfarrer eine größere Summe anzuvertrauen. Offensichtlich spürt Pfarrer Lukas meine Verunsicherung und erklärt entschuldigend: »Das ist bestimmt nicht die typische Atmosphäre, die normalerweise im Büro eines Pfarrers herrschen sollte, aber wenn man den größten Teil des Tages in einer barocken Kirche verbringt, sehnt man sich nach klaren Linien. Und Spendengelder habe ich dafür nicht auf den Kopf gehauen, keine Sorge.« Er zwinkert mir zu und ich spüre, wie ich erröte, weil mir meine Gedanken offensichtlich mal wieder mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben waren.
»Daran habe ich jetzt gar nicht gedacht. Ich gebe zu, ich habe mir Ihr Büro auch eher etwas ... naja, sagen wir mal ... äh ... rüschiger vorgestellt«, wehre ich ab.
»Rüschiger? Na, das ist mal ein Kompliment«, antwortet er sichtlich irritiert. »Aber wir sind auch nicht hier, um uns über verschiedene Einrichtungsstile zu unterhalten, sondern um die Sachlage wegen Ihrer Spende zu klären, nicht wahr?«
»Da haben Sie recht. Also was für Möglichkeiten gibt es denn da?«
Um Sie nicht mit öden Details über Spendengelder, deren Verwendung und Steuervergünstigungen zu langweilen, erspare ich Ihnen die detailreiche Wiedergabe der nächsten halben Stunde. Sollte es Sie dennoch interessieren, ich habe Etiennes Geld komplett gespendet. Es kommt einem, von der Kirche geführten, Kinderheim zugute. Und ja, ich kann die Spende natürlich auch von der Steuer absetzen. Pfarrer Lukas begleitet mich nach draußen, was man auch erwarten kann, wenn man gerade umgerechnet zehn Paar Schuhe ärmer geworden ist.
Auf dem Weg durch die Kirche fällt mir ein Gemälde auf, das in einer Nische hängt, und auf dem eine Kreuzigung zu sehen ist.
»Huh, das sieht aber schmerzhaft aus«, bemerke ich und weise auf die Darstellung des Mannes, der kopfüber an ein Kreuz gebunden ist. »Wer ist das auf dem Bild?«
Anlässlich meiner völligen Ahnungslosigkeit schüttelt Pfarrer Lukas mitleidig den Kopf und seufzt. »Das ist der heilige Petrus, Frau Pasquier, der den meisten Leuten leider nur im Zusammenhang mit dem Wetter ein Begriff ist. Ihm zu Ehren wurde auch der Petersdom in Rom errichtet, in dem übrigens auch sein Grab zu sehen ist.«
Nun das Gemälde hat Petrus nicht wirklich gut getroffen, aber woher hätte der Künstler auch wissen sollen, wie er aussieht? Bei dem Gedanken an die Torturen, die er über sich ergehen lassen musste, wird mir ganz flau im Magen.
»Ist Ihnen nicht gut, Sie sehen ganz blass aus?« Besorgt schaut mich Pfarrer Lukas an.
»Nein, nein. Es ist alles in Ordnung. Ich bin nur verwundert, dass er das nicht erwähnt hat.«
»Wie bitte? Ich verstehe nicht ganz?«
Ähm ... ich meine, dass ich das noch nie gehört habe. Ich sollte wirklich wieder öfter in die Kirche gehen«, erwidere ich hastig. Schnell mache ich mich auf den Weg zum Ausgang, um mich nicht noch einmal zu verplappern.
»Vielen Dank noch einmal. Vor allem auch im Namen der Kinder. Vielleicht sehe ich Sie am Sonntag in der Messe?«, verabschiedet mich der Pfarrer.
»Gerne. Aber nur, wenn Sie statt diesem unförmigen Sack eine Jeans und einen kobaltblauen Pullover tragen. Glauben Sie mir, da wäre es hier nicht mehr so leer«, antworte ich mit einem Grinsen. Salut.«
Eilig öffne ich die Tür und werde von der strahlenden Sonne begrüßt. Nicht, dass er noch auf die Idee kommt und auf mein Angebot eingeht. Ich kann mir doch weitaus Schöneres vorstellen, als meinen Sonntagmorgen auf so einer harten Kirchenbank zu verbringen.
»Ach sagen Sie, hat der Joghurt eigentlich geholfen?«, ruft mir Pfarrer Lukas hinterher.
»Was? Welcher Joghurt?«
»Sie wissen doch Ihr Ausschlag.«
»Ach so, das hatte ich schon ganz vergessen. Ja, das mit dem Joghurt hat tatsächlich geholfen.« Ich trete durch die Tür ins Freie, ehe mir etwas auffällt.
»Aber woher wissen Sie ...« Völlig verblüfft drehe ich mich um, doch da fällt auch schon die Tür neben dem Altar ins Schloss.
Ende
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